Der letzte Techno-Dinosaurier

■ Der Narmada-Staudamm wird mit Weltbank-Geld gebaut, obwohl selbst die Studien der Befürworter nur negative Ergebnisse gebracht haben / Indiens Regierende werden ihren Gast Klaus Töpfer befragen

Neu Delhi (dpa) – Bundesumweltminister Klaus Töpfer ist gestern nicht zum Vergnügen nach Indien gefahren. Hinter der offiziellen Ankündigung, während seines Besuches „Möglichkeiten verstärkter Zusammenarbeit beim Umweltschutz auf der Grundlage der Beschlüsse der Rio-Umweltkonferenz“ zu erörtern, verbirgt sich vor allem die Diskussion über eines der heikelsten Entwicklungsprojekte in Indien, an dessen Finanzierung Deutschland über die Weltbank maßgeblich beteiligt ist: das Narmada-Staudammprojekt im westindischen Bundesstaat Gujarat.

Das Narmada-Unternehmen gilt als eines der letzten Megaprojekte, die die Weltbank finanziert. Über drei Milliarden Mark sind vorgesehen, um den Narmada- Fluß mit dreißig großen und über hundert kleinen Dämmen aufzustauen, Kraftwerke zu bauen und 70.000 Kilometer Bewässerungskanäle, die eines der trockensten Gebiete Indiens bewässern sollen. 20 Millionen Menschen sollen durch die Bauarbeiten und später durch die fertigen Dämme Arbeit und Brot erhalten. So die Darstellung der Freunde dieses gigantischen Projektes. Doch sie werden immer kleinlauter und schrumpfen an Zahl.

Denn der Widerstand gegen dieses Projekt hat sich weltweit formiert. Zunächst und vor allem in Indien selbst: 100.000 Menschen mindestens werden dem Stauwasser weichen müssen, fruchtbares Ackerland für weitere Hunderttausende wird unwiederbringlich vernichtet. Es gibt keine überzeugende Rehabilitation für diese Menschen, die flächendeckende Schlamperei und Korruption der indischen Verwaltungen hat dafür gesorgt, daß schon jetzt beträchtliche Weltbankgelder spurlos verschwunden sind. Vor Ort warten bereits umgesiedelte, sprich vertriebene Bauern seit Jahren auf ihre Entschädigung. Zahlreiche Gruppen sorgen inzwischen durch ihre weltweiten Kontakte für Druck auf die Regierung in Neu Delhi, die Bauarbeiten einzustellen. Doch die will weitermachen und versucht, die Geldgeber günstig zu stimmen.

Es ist auch fraglich, ob Umweltschützer in aller Welt das Narmada-Projekt letztlich werden aushebeln können. Denn trotz des Drängens vor allem der USA und Deutschlands, eine Denkpause einzulegen, und trotz eines für die Weltbankstrategen vernichtend negativen Berichts einer von ihr selbst eingesetzten Prüfungskommission hat das Washingtoner Institut Ende Oktober die Weiterfinanzierung des umstrittenen Projekts verfügt. Der Grund ist, soweit bekannt, eher profan angesichts der erwarteten Last der Konsequenzen: man wolle nicht das bisher ausgegebene Geld umsonst vertan haben, sickerte durch.

Dabei hatte die Kommission unter Leitung des ehemaligen stellvertretenden UNO-Generalsekretärs Bradford Morse gravierende Mängel bei der Implementierung auf indischer Seite und während der Planung der Weltbank selbst festgestellt. Es habe keine Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben, und die Modalitäten der Umsiedlung, vor allem die der dort siedelnden Stammesgesellschaften, seien nicht geklärt, hieß es in dem Morse-Bericht. Man habe gegen die selbst formulierten Umweltvorschriften verstoßen.

In Deutschland ist der Narmada-Damm ein verbindendes Thema sonst oft zerstrittener Umwelt- und Dritte-Welt-Gruppen. Die „Regenwälder-Kampagne“, ein Zusammenschluß von 40 Gruppen, hat die Bundesregierung aufgefordert, die Zahlungen an die Weltbank nur noch projektgebunden freizugeben, um mehr Einfluß ausüben zu können. Das Narmada-Dammprojekt betrachten die Umweltgruppen als erstes massives Versagen der Weltbank nach Rio. Angesichts der Tatsache, daß in letzter Zeit immer wieder deutsche Parlamentarier zur Narmada- Baustelle reisen, wird verständlich, warum Klaus Töpfer in Indien über die Umsetzung der Beschlüsse von Rio diskutieren möchte.