Tod durch den Strang in den USA

■ Dreifacher Kindesmörder wurde exekutiert/ Debatte über „humane“ und inhumane“ Hinrichtungen/ Fast jede Woche wird ein Todesurteil vollstreckt

Washington (taz) – Alles habe einwandfrei funktioniert, erklärte der Journalist auf der anschließenden Pressekonferenz und schnalzte mit den Fingern, um die Leichtigkeit des Vorgangs zu untermalen. „Plötzlich ging die Falltür auf – und da hing er.“ Der Mann hatte soeben mit anderen Augenzeugen, darunter Journalisten, Gefängnisbeamte und Angehörige der Mordopfer, hinter einer Glasscheibe im Hinrichtungstrakt des Gefängnisses von Walla Walla mitangesehen, wie der 31jährige Wesley Allan Dodd durch den Strang exekutiert wurde. Entsprechend den Vorschriften begannen Gefängnisbeamte mit der Exekution genau eine Minute nach Mitternacht.

Acht Minuten später wurde Dodd für tot erklärt. Die Zeugen waren sich hinterher einig: Eine Hinrichtung durch den Strang verläuft ziemlich problemlos. Hinrichtungen finden in den USA fast jede Woche statt – vor allem in Bundesstaaten wie Texas und Florida, wo mehrere hundert Menschen in den Todestrakten inhaftiert sind – und mit allen Mitteln gegen ihr Urteil ankämpfen. Die Öffentlichkeit nimmt kaum noch Notiz. Auch der Exekution Dodds im US-Bundesstaat Washington hätten die Medien keine Beachtung geschenkt, hätte Dodd nicht nachdrücklich auf der möglichst schnellen Vollstreckung des Urteils bestanden. Dodd war 1990 wegen Mordes und Vergewaltigung an drei Jungen im Alter von sechs, zehn und elf Jahren zum Tode verurteilt worden und hatte danach sämtliche Berufungsmöglichkeiten verworfen.

Trotzdem versuchten Bürgerrechtsgruppen wie die „American Civil Liberties Union“ (ACLU) und Abgeordnete des Bundesstaates bis zuletzt, die Vollstreckung mit der Begründung zu verhindern, der Tod durch Hängen sei „ungewöhnlich und grausam“ und verstoße somit gegen die US-Verfassung. Im US-Bundesstaat Washington muß der Verurteilte wählen, ob er durch den Galgen oder eine tödliche Injektion umgebracht werden will. Dodd enschied sich für ersteres – und löste damit eine Debatte über „humane“ und „inhumane“ Exekutionen aus.

Die Exekutionsmethode anzufechten war für Todesstrafengegner in diesem Fall der einzige juristische Ansatzpunkt, um noch einen Aufschub zu erzielen. Vor Gericht kam es zu makabren Auseinandersetzungen. Während Anwälte der ACLU sich für das Leben des Delinquenten einsetzten, argumentierte dessen Verteidiger im Auftrag des Mandanten für den Tod am Galgen. Sollte er je wieder freikommen, hatte Dodd erklärt, „werde ich wieder morden und vergewaltigen“.

Auch den Fernsehteams, die sich in den Tagen vor seinem Tod im Gefängnis die Klinke in die Hand gaben, präsentierte sich Dodd als nicht mehr zu resozialisierender Sexualmörder. Die Medien nahmen es begierig auf: Noch nie hatte ein zum Tode Verurteilter vor laufenden Kameras seiner eigenen Hinrichtung – und der weitverbreiteten Zustimmung zur Todesstrafe – seinen Segen gegeben.

Die Übertragung der Exekution blieb dem TV-Publikum allerdings versagt: Dies verbieten nach wie vor die Gerichte. Fernsehzuschauern wurde allerdings eine Führung durch den Hinrichtungsraum geboten, wo die Funktionstüchtigkeit der Falltür demonstriert wurde. Andrea Böhm