Letzte Ölung für die Shetlandinseln

■ Der südlich der Shetlandinseln havarierte Öltanker "Braer" wird vermutlich seine gesamte Ladung verlieren. Der Region droht eine Umweltkatastrophe

Letzte Ölung für die Shetlandinseln

Der mit 85.000 Tonnen Rohöl vor der Küste der Shetlandinseln gestrandete Tanker „Braer“ ist nach einer stürmischen Nacht teilweise gesunken. Das 241 Meter lange Schiff lag am Mittwoch morgen mit seinem Heck tief im Wasser und ragte nur noch mit dem Bugteil über die Wasserlinie hinaus, wie eine Sprecherin des britischen Verkehrsministeriums am Mittwoch mitteilte. Es sei aber nicht auseinandergebrochen.

Der unter liberianischer Flagge fahrende Kahn hat inzwischen aus mehreren Lecks erhebliche Mengen seiner Ölladung verloren und wird nach Angaben des Verkehrsministeriums vermutlich seine gesamte Fracht einbüßen. Auflandiger Wind hatte nach Angaben von Naturschützern bis zum Mittwoch morgen dafür gesorgt, daß sich das Öl nur an einer relativ kleinen Küstenstrecke in Richtung auf eine anschließende Bucht bewegte. Rettungstrupps fürchten aber, daß bei Veränderung der Windrichtung weitere Gebiete betroffen werden könnten. Nach Angaben der Behörden ist die Umweltgefährdung bei leichtem Rohöl allerdings etwas geringer als bei schwerem Öl, wie es 1989 vor der Küste Alaskas auslief. Es wird erwartet, daß 40 Prozent der „Braer“-Ladung verdunsten, 20 bis 30 Prozent sich mit Wasser vermischen und die verbleibenden 30 Prozent die Felsküste verschmutzen werden.

Der anhaltende Sturm mit Windgeschwindigkeiten um die 100 Stundenkilometer hat am Mittwoch alle Bemühungen vereitelt, die einmalige Küstenlandschaft der britischen Shetlandinseln vor einer Ölpest zu bewahren. Nach Berichten örtlicher Umweltschützer überzog ein dünner Ölfilm die südlichen Inselteile, über niedriger gelegenen Gebieten lag ein süßlicher Gestank. Das aus einem der drei Tanks der „Braer“ auslaufende Rohöl wurde gestern von sechs Flugzeugen mit Chemikalien bekämpft, die es zum Verdampfen bringen sollen. Die erst mit Beendigung des Sturms mögliche Bergung des Wracks sei „eine Mammutaufgabe“, sagte der Umweltbeauftragte im Londoner Schottland-Ministerium, Hector Munro, im BBC-Interview. Sobald der Wind nachgelassen hat, wollen die Behörden Schwimmbarrieren einsetzen, um den Ölteppich eingrenzen und entsorgen zu können.

Naturschützer fanden bereits die ersten von Öl verklebten Seehunde und Seevögel. Vom Öl und vor allem vom Einsatz von Chemikalien bei der Bekämpfung der Ölpest fürchten Fisch-Farmer große Schäden für Lachs-Farmen weiter im Norden der Inselgruppe. Susan Gubbay von der Marine Conservation Society warnte gestern vor dem Einsatz chemischer Bindemittel: „Das Öl wird von Bakterien und anderen natürlichen Mikroben angegriffen und abgebaut. Das ganze dauert zwei Jahre, aber die Umwelt erholt sich schließlich – von Chemikalien dagegen nicht.“

Die Bewohner der Insel, Umweltschützer und Vertreter der Behörden bereiten sich mit Bangen auf die möglicherweise größte Umweltkatastrophe in der Region vor. Mike Everett von der britischen Vogelschutzgesellschaft erklärte, daß ebensogroße Schäden in der Tier- und Pflanzenwelt zu erwarten seien wie im März 1989 bei der Katastrophe der „Exxon Valdez“ vor der Küste Alaskas.

Sowohl Umweltschützer als auch die britische Regierung verurteilten die Fahrt des Unglückstankers durch den 37 Kilometer breiten Schiffahrtskanal zwischen den Shetlands und der kleinen Insel Fair. Umweltbeauftragter Munro sprach in dem BBC-Interview von einem „törichten Manöver“ und einer „großen Tragödie“. Angesichts der schlechten Sichtverhältnisse sei diese Route nicht zu verantworten gewesen. Es sei völlig unverständlich, daß der Kapitän der „Braer“ in dem Orkan nicht die Route nördlich der Shetlandinseln genommen habe. Dies hätte lediglich einige Stunden länger gedauert. Raso/dpa/AP