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Ende der lokalen Soul-Legasthenie

■ Soulciety-Sampler und STP-Debüt belegen die Stärkung der lokalen Soulszene

-Sampler und STP-Debüt

belegen die Stärkung der lokalen Soulszene

Für Soulciety beginnt das Jahr 1993 in Blau. Sowohl ihr neuer Label-Sampler, als auch das Debüt-Album der Hamburger Soul-Hopper STP, Kurzform für Soul, Truth & Power, reflektiert in kalten Hoffnungsfarben die Corporate Identity der jungen Hamburger Unternehmung. Dabei hätte es gar nicht so viel der Farbsymbolik gebraucht, schließlich sind die Soul-Gerechten sowohl in der Presse als auch in den heimischen Plattenschränken erfolgreich. Neben den Resultaten ihrer guten Verbindung in die Londoner Dancefloor-Scene kümmert sich die Crew vornehmlich ums Erwachsenwerden der Hamburger Soul-Aktivisten.

Als zweiter Longplayer-Schlag

1nach dem jazzig-verspielten Album von Rad. kommt Soul, Truth & Power gerade recht, um die Hoffnungen auf ein Wachstum im lokalen Dance-Feld zu begießen. Gleichzeitig macht die Platte die Probleme einer sich noch entwickelnden Szene offenbar. Trotz einer Menge inspirierter Ideen und Gespür für moderne Klassik fehlen der Produktion streckenweise die Weihen einer ausgewachsenen Gemeinde gleichgesinnter Musiker, die via Konkurrenz und Fertilisation ein so ambitioniertes Unternehmen wirklich ausgeschlafen machen.

Beispiel: Gleich das erste Stück des Albums „get on the groove“ verpasst es, aus einer bravourösen Songidee, einem schmatzenden

1Bassgeilen, einen wirklichen Hit zu machen. Tödliche Arrangement- Fehler, die Songteile unverbunden nebeneinander schneiden, verhindern die Ausströmung süchtig machender Essenzen kurz vor dem Kapselplatzen. Vollkommen unverständlich bleibt aber die Behandlung der Stimmen, die wie durch einen akustischen Gaze-Vorhang oder die Studiotür schallen und gelegentlich wie stranguliert klingen. So gehen sowohl Arroganz wie Attitüde verloren, die ahnungsweise sowohl Rapper Big Talks, als auch Sängerin Jamina Achour besitzen und die sich in ihrer Drosselung wie Zahnbelag anfühlen.

Dabei besitzen die Beats und Grooves von Pari Dee und Tim

1Waje, die zwischen Soul, HipHop und Funk hin- und herwandern, internationalen Stil und eine Ausstrahlung von Manie, die unter der opaken Produktionsmethode vom Ohr stets von neuem hervorgehört werden muß. Raubtierfütterungen mit Orgel- und Flötensoli und knackenden Breaks, aus denen man wiederum Lied-Solitäre hätte komponieren können, sowie die Beschäftigung berufener Gastmusiker aus London und Deutschland erlauben es, auf einen weiteren qualitativen Schub zu hoffen, der nicht nur der Band, sondern der ganzen Gemeinde zugute kommt.

Daß diese auch andernorts neue deutsche Rekorde in professioneller Musikarbeit aufstellt, beweisen

1die beiden hannoveranischen Projekte Soulstaff und His Masters Voice,

die auf dem zweiten Soulciety-Funky- Family-Sampler vertreten sind. Neben Stücken aus der Londoner Dancefloor-Scene, wie dem Raw- Stylus-Projekt Naked Funk oder MC Toro, ein Zusammenschluß aus Push und Galliano-Leuten, hört man in keinerlei Deutschlichkeit hervor, daß Hannover nicht im United Kingdom liegt. Die deutsche Soul- Legasthenie scheint ihrem Ende zuzuschreiten. Till Briegleb

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