Großkraftwerke als Mitgift für einen Ladenhüter?

■ Zwei neue Großkraftwerke im Saarland sollen die defizitären Saarbergwerke verkaufen helfen/ Den Strom braucht niemand/ Der Wald stirbt schneller

Trier (taz) – „Wir können doch nicht nur eine Sorte Großkraftwerke durch eine andere auswechseln.“ Dieser energiepolitische Satz des saarländischen Umweltministers und derzeitigen Vorsitzenden der Umweltministerkonferenz, Jo Leinen (SPD), bleibt ausgerechnet dort folgenlos, wo der Minister handeln könnte. Im Land des Öko-Mahners – „Umweltschutz ist keine Schönwetterangelegenheit, sondern eine epochale Herausforderung“ – sind derzeit zwei Großkraftwerke in der Planung, die von KritikerInnen als „Dinosaurier der Kraftwerkstechnik“ verspottet werden.

Schon eines der geplanten Kraftwerke puste mehr von dem Treibhausgas Kohlendioxid in die Luft als der gesamte Autoverkehr des kleinen Bundeslandes, sagen die KritikerInnen des Zwei-Milliarden-Projekts: 3,2 Millionen Tonnen jedes Jahr. Und dies bei einem „lächerlich niedrigen“ Energieausnutzungsgrad von 43 Prozent: Nicht einmal die Hälfte der Primärenergie wird in Strom umgewandelt. Werden die Pläne der Saarbergwerke AG (die Bund und Land gehört) verwirklicht, rechnen UmweltschützerInnen mit einem beschleunigten Waldsterben im Saarland und in Rheinland- Pfalz durch elf Milliarden Kubikmeter zusätzliche Abgase jährlich. Äußerst skeptisch auch ein Gutachten des Öko-Instituts Darmstadt: Die Emissionen überschritten zwar die Grenzwerte nicht, könnten aber keineswegs als Stand der Technik gelten, wenn man eine Inbetriebnahme in sechs Jahren als realistisch annehme. Das Institut unterstützt auch die Argumente der GegnerInnen, wonach es im Saarland keinen Bedarf für neue Stromproduzenten gebe. Auf Stromexport in andere Bundesländer zu setzen sei schon deshalb unsinnig, weil dort ebenfalls an Kraftwerksplänen gebastelt werde.

Die Saarbergwerke hingegen rechnen unter Berufung auf „ernstzunehmende Energieprognosen“ mit einem Exportbedarf beim Strom, auch wenn sie einräumen, daß es bisher mit niemandem Abnahmevereinbarungen gibt. Kein Bedarf, keine AbnehmerInnen – und dennoch ambitionierte Pläne.

Hiltrud Breyer, Grünen-Abgeordnete im Europaparlament, vermutet denn auch einen schlichten Deal hinter den Kraftwerksplänen. Buchstäblich als Mitgift für den seit langem gewünschten Verkauf des Bundesanteils der Saarbergwerke AG von 74 Prozent an private Energieversorgungsunternehmen sollten hier Standorte für anderswo nicht durchsetzbare Anlagen mitgeliefert werden, meint Breyer. Nur so könne der Bund die Mehrheitsanteile an der defizitären Saarbergwerke AG loswerden. Das freilich weisen die Saarbergwerke zurück.

Ziemlich unverhohlen hatte solche Überlegungen aber auch Finanzminister Waigel nahegelegt. RWE, Bayernwerk und die französische EdF hätten Interesse an den Saarbergwerken gezeigt. Ihr besonderes Augenmerk habe dabei, so Waigel, Standorten für neue Kraftwerke gegolten. Die Verhandlungen seien aber „von einem konkreten Stadium noch weit entfernt“. Der teilweise landeseigene Saarberg-Konzern baut also vor. Unfreiwillig unterstreicht er dabei das Motto einer Klimakampagne des Umweltministeriums auf seine Weise: „Klimaschutz? Keine Frage.“ Thomas Krumenacker