146 Prozeßpapiere am Straßenrand gefunden

■ Datenschutzbehörde prüft, ob es Einzelfall oder generelle Schlamperei ist

Berlin. Berlin hat einen neuen Aktenskandal. 146 Prozeßpapiere der in Tiergarten ansässigen Amtsanwaltschaft wurden von einem Spaziergänger am Straßenrand einer Kleingartenkolonie am Wiesendamm in Spandau gefunden, berichtete die Morgenpost. Die „brisanten“ Akten enthalten zum Teil „äußerst persönliche Details über Delinquenten, die ihre Strafe schon längst verbüßt haben“, erklärte Jürgen Just, FDP-Fraktionssprecher im Abgeordnetenhaus.

Die stellvertretende Berliner Datenschutzbeauftragte, Claudia Schmid, bezeichnete die Angelegenheit als einen „groben Datenschutzverstoß“. Es seien „ausgesprochen sensible Daten, die in solchen Strafakten vermerkt werden“. Es werde jetzt geprüft, ob dies ein Einzelfall gewesen sei oder ob mit den Strafakten eventuell generell „allzu schlampig“ umgegangen werde. Bei einem Einzelfall folge eine „förmliche Beanstandung“ und ein Verweis der Verantwortlichen. Bei regelmäßigen Verstößen gegen den Datenschutz müßten die Verantwortlichen mit Strafanträgen rechnen.

Nach Angaben der Fahrbereitschaft der Berliner Justizverwaltung sollten die Akten gebündelt von einem offenen Lkw zur Vernichtung in eine Papierverarbeitungsfirma am Wiesendamm gebracht werden. Zwei Touren habe es gegeben. Beide führten über dieselbe Strecke von Tiergarten nach Spandau. Die Strafpapiere würden routinemäßig zwischen Januar und Oktober entsorgt, erklärte der Leiter der Amtsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Dieter Bluhm. Die Vernichtung erfolge nach gesetzlich festgelegten Liegefristen, in der Regel nach fünf bis 30 Jahren.

Die Fraktionen im Abgeordnetenhaus fordern umfassende Aufklärung des Vorfalls. SPD, CDU und FDP wollen die Angelegenheit im Rechtsausschuß erörtern. Bündnis 90/ Grüne und PDS fordern für die kommende Sitzung des Abgeordnetenhauses eine ausführliche Stellungnahme von Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD). Unter Umständen würden sie nach Angaben der Morgenpost die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangen. adn