Der Berg raucht nicht mehr

■ Nikotinverbot in österreichischen Alpenhütten

„Über den Wolken“, dumdideldum, „muß die Freiheit wohl grenzenlos sein.“ Der Vers des mittlerweile 50jährigen Reinhard Mey stimmt nicht mehr. In den engen Sitzreihen der meisten Airlines sind die Glimmstengel verpönt, ja höchstoffiziell verboten, wie eine deutsche Wochenzeitung vor kurzem berichtete. Unbestätigten Meldungen zufolge sprechen neuerdings die sensiblen Röntgengeräte in den Abfertigungshallen der Airports nicht nur auf Nitroglyzerin und Plastiksprengstoff, sondern auch auf Nikotin an. Zigaretten, die einen höheren Nikotingehalt als 0,5 mg und einen Teergehalt von mehr als 0,8 mg aufweisen, werden sofort konfisziert und vernichtet. Stäbchen unterhalb dieser Marge müssen bis zur späteren Landung in mehrfach gesicherten Containern im Frachtraum der Flugzeuge deponiert werden.

Auch eine Höhenstufe tiefer, in den Berghütten der Alpenvereine, hat die Freiheit des Rauchens demnächst ein Ende. Vorreiter des künftigen Martyriums für Nikotinabhängige ist der Österreichische Alpenverein. Auf der letzten Jahrestagung beschlossen die organisierten Bergfexe, das Rauchen in ihren Hütten nur mehr in eigens gekennzeichneten Räumen, beispielsweise auf gut belüfteten Terrassen, zu gestatten. In Berghütten, die nur einen einzigen Gastraum haben, ist der würzige Qualm gänzlich verboten.

Das Nikotinverbot trifft die Tabakkonzerne jedoch nicht unvorbereitet. Seit Jahren liegen in gut verschlossenen Schreibtischschubladen die wohlausgearbeiteten Notpläne. So verkündete die US- amerikanische Philip Morris Products Inc., u.a. Hersteller der Marlboro, auf einer eilends in Rauchfangswerder bei Berlin einberufenen Pressekonferenz, in den österreichischen Alpen flächendeckend ein Netz von raucherfreundlichen Notbiwaks mit Zigarettenautomaten zu errichten. Es sei auch daran gedacht, Alpenvereinshütten zu pachten und in Raucherherbergen mit fest installierten Aschenbechern umzuwandeln. Ein deutscher Hersteller ist schon einen Schritt weiter und hat die Rotwandhütte gekauft. Ab dem 1.April 1993 wird dieses altehrwürdige Haus unter dem Namen Rothhändle-Hütte neu eröffnet. Nichtrauchern und Liebhabern von Leichtzigaretten ist der Zutritt verboten. Reinhard Kuntzke