piwik no script img

„Bloß keine Proporzlösung“

■ Ulrich Deppendorf als „ARD-Aktuell“-Chef im Gespräch

Frankfurt/M. (epd) – Ulrich Deppendorf hat gute Aussichten, neuer Chef der „ARD-Aktuell“- Redaktion und damit hauptverantwortlich für die Renommiersendungen „Tagesschau“, „Tagesthemen“ sowie „Wochenspiegel“ zu werden. Deppendorf, bislang stellvertretender Chefredakteur der beim NDR betreuten Redaktion, würde damit Nachfolger von „ARD-Aktuell“-Chef Gerhard Fuchs werden, der im April als Chefredakteur zu seinem „Heimatsender“, dem Bayerischen Rundfunk, zurückgeht. Der bis Ende vergangenen Jahres amtierende Vorsitzende der ARD, WDR-Intendant Friedrich Nowottny, teilte seinen Kollegen brieflich mit, daß bislang auf seine Bitte um Nennungen in der Nachfolgefrage zweimal derselbe Kandidat – es handelt sich um Deppendorf – genannt worden sei. Jetzt ist die Federführung in dieser Sache auf den neuen ARD-Vorsitzenden, den NDR-Intendanten Jobst Plog, übergegangen.

Fraglich ist bei dieser Personalentscheidung, inwieweit der Bayerische Rundfunk auf seinem Anspruch bestehen wird, die Chefredakteursstelle bei „ARD-Aktuell“ zu besetzen. Nach internen Überlegungen scheint nicht ausgeschlossen, daß der BR den parteilosen Ulrich Deppendorf (Haussender: WDR) an der Spitze akzeptiert, wenn ein Journalist aus dem bayerischen Haus die Stellvertretung übernimmt. Im Gespräch ist hier Bernhard Wabnitz, derzeit kommissarischer Leiter der Redaktionsgruppe Aktuelles und der regionalen „ARD-Aktuell“- Redaktion beim BR.

Der BR-Anspruch – begründet unter anderem mit traditionellen Besetzungslinien (wie Edmund Gruber) – wird in anderen ARD- Anstalten mit dem Hinweis auf andere Verantwortung an zentraler Stelle relativiert, so beim ARD- „Mittagsmagazin“. Insofern, so ist zu hören, sei eine Umkehr der Verantwortungshierarchie bei „ARD- Aktuell“ durchaus zumutbar. Kein positives Echo hatte hingegen eine indirekt ins Spiel gebrachte Namensnennung gefunden: Siegfried Gottlieb, Leiter des BR-Programmbereichs Politik und Zeitgeschehen, wurde ARD-intern verdächtigt, zu parteinah zu agieren. Auch Wolfgang Kenntemich, als Fernseh-Chefredakteur des Mitteldeutschen Rundfunks für die Fuchs-Nachfolge ins Gespräch gebracht, scheint wegen vielfältiger Vorbehalte keine Chancen mehr zu haben.

Mit der noch gültigen Koppelung Fuchs/Deppendorf, so „Tagesthemen“-Moderator Ulrich Wickert, bestehe „eine Idealbesetzung“. Die Intendanten sollten deshalb bei der jetzt anstehenden Entscheidung „bloß keine Proporzlösung anstreben, die wieder zu den alten Grabenkämpfen führen würde“. Vielmehr müsse das Ziel sein, wieder zu einer „rein journalistischen Besetzung“ an der Spitze zu kommen, um die unter der jetzigen Leitung „unglaublich gestiegene Motivation und die damit verbundene neugewonnene Kreativität“ sowie das „hervorragende Arbeitsklima“ zu bewahren. Bei dieser Zielsetzung liege es „auf der Hand“, so Wickert, die „sachlich richtige Lösung zu wählen und Deppendorf zum Fuchs-Nachfolger“ zu bestimmen. Deppendorf habe dabei den Vorzug, nicht allein handwerklich-professionell Hervorragendes zu leisten, sondern auch konzeptionell zu denken und zu handeln.

Die Intendanten, die diesmal auf keine Findungskommission zurückgreifen, sondern in ihrer Gesamtheit schon im Vorfeld die Nachfolgefrage klären wollen, werden voraussichtlich auf dem nächsten ARD-Treffen am 1./2.Februar in Hannover über die Neubesetzung der „ARD-Aktuell“-Spitze entscheiden. Nach einer internen Einschätzung gilt eine Mehrheit von mindestens sieben der insgesamt elf Anstalten – nach ungeschriebenem Gesetz ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich – für Deppendorf als wahrscheinlich.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen