Arbeitgeber bieten 2,25 Prozent

■ ÖTV lehnt Offerte als sozial nicht ausgewogen ab/ Seiters verhandelt mit moderaten Tönen und Solidarappellen/ Nächste Runde am 22.Januar

Stuttgart (taz) – Die Arbeitsteilung zwischen den Tarifpartnern im öffentlichen Dienst Westdeutschlands klappt perfekt. Pünktlich zum Beginn der ersten Verhandlungsrunde für die rund 2,3 Millionen Beschäftigten legten die Arbeitgeber im Degerlocher Straßenbahnerheim gestern ihr Angebot auf den Tisch: Um nur 2,25 Prozent sollen die Löhne und Gehälter nach ihrem Wunsch erhöht werden.

„Es wäre uns lieber gewesen, wir hätten ein höheres Angebot machen können“, sagte der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Rudolf Seiters (CDU), aber mehr sei angesichts der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Situation, der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte und der Notwendigkeit eines Solidarpakts für den Aufbau im Osten nicht drin. „Alle miteinander müssen wir den Gürtel enger schnallen“, so der Innenminister. Er bezifferte die Kosten seines Angebots auf rund neun Milliarden Mark. Die Forderungen der ÖTV würden sich dagegen auf rund 20 Milliarden belaufen, hatte er errechnet. Nichts deutet also bislang darauf hin, daß die Allianz aus Bund, Ländern und Gemeinden den ohnehin gemäßigten Forderungen der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr nach Lohnerhöhungen von fünf Prozent entgegenkommen wolle.

Die Offerte unterhalb der Drei- Prozent-Hürde wurde denn auch postwendend von ÖTV-Chefin Monika Wulf-Mathies als ohne soziales Gespür und deshalb unakzeptabel zurückgewiesen.

Schnell rechneten die ÖTVler vor, was das magere Arbeitgeber- Angebot den Beschäftigten bringen würde – nämlich nicht mehr als 50 bis 90 Mark im Monat.

Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst müßten seit 1988 Reallohnverluste hinnehmen, so die ÖTV-Chefin; gerade in den unteren Lohnbereichen seien die sozialen Verwerfungen besonders stark. Ohne die neben den linearen Lohnerhöhungen geforderte soziale Komponente von monatlich 150 Mark für die unteren Einkommensgruppen sei ein Abschluß für die ÖTV undenkbar. Wenn den Beziehern geringerer Einkommen nicht geholfen werde, die wirtschaftliche Durststrecke zu überwinden, verwandle sich das ohnehin gespannte soziale Klima in Sprengstoff, warnte sie.

Doch das hatte die Länder-Vertreterin Heide Simonis (SPD) bereits als schlicht nicht finanzierbar bezeichnet. Die Länder, so die Kieler Finanzministerin, müßten ohnehin 40 Prozent ihres Haushalts allein für Lohnkosten opfern.

Doch trotz der geringen Zugeständnisse an die Staatsdiener scheinen die Arbeitgeber an einer kurzen Tarifrunde interessiert zu sein. Denn nicht anders ist es zu verstehen, daß sie der Aufforderung der ÖtV promt nachkamen und sogleich ihr Angebot präsentierten. Das gab es seit langem nicht mehr. Je länger ein Abschluß dauert, das weiß der Innenminister nur zu gut, um so höher wird die Inflationsrate nach der Mehrwertsteuererhöhung sein, die für das laufende Jahr auf 3,5 bis 4 Prozent geschätzt wird. Die Gewerkschaft hat jedoch klargemacht, daß sie auf jeden Fall die Reallöhne sichern will.

Nach sechsstündigen Verhandlungen vertagte man sich gestern Nachmittag. Am 22. Januar startet die zweite Runde – wieder in Stuttgart. Erwin Single