Einmal Scientologe, immer Scientologe?

■ Der neue, alte Chef des Theatron-Theaters, Alejandro Alvarez, kämpft gegen die Schatten seiner Sekten-Vergangenheit

, Alejandro Alvarez, kämpft gegen die Schatten seiner Sekten-Vergangenheit

Er wittert Rufmord, fühlt sich verfolgt und unfair behandelt. Alejandro Alvarez, Gründer und neuer Leiter des Theatron-Theaters, wird von den Schatten seiner Vergangenheit eingeholt. Der Ex-Scientologe ist zwischen die Fronten geraten: „Für die Sekte bin ich zum Feind geworden, für die Presse ein gefährliches Sektenmitglied“.

Seit Jahresbeginn öffnet sich der Vorhang seines Off-Theaters an der Glashüttenstraße nicht mehr. Umbaupause heißt es offiziell. Nach dem Rauswurf des Intendanten Kevin Kinsella durch Alvarez und dem daraus folgenden Rücktritt des gesamten Ensembles bleibt die Bühne leer. Unter dem neuen Namen „Karo-Theater e.V.“ will Kinsella mit seiner Crew als heimatlose freie Theatergruppe weitermachen. Alvarez plant unterdessen die Wieder-Eröffnung seines Theaters, sucht dafür ein neues Ensemble und ein Gegenmittel gegen den schwarzen Fleck in seiner Biographie.

Alvarez selbst bestreitet nicht, daß er zwischen 1976 und 1981 in der „Scientology Church“ ein- und ausging, jahrelang sogar Mitglied der Sekte war. Allerdings habe er sich mit den Scientologen lediglich befaßt, um sich „ein eigenes Urteil bilden zu können“, da er „ein neugieriger Mensch“ sei. Um zu diesem Urteil zu gelangen, hat der Theatermacher allerdings weder Mühen noch Kosten gescheut: So zahlte er nach eigenen Angaben zwischen 1976 und 1980 für Kurse und „Auditings“ mehr als 8000 Mark in die Kasse der Frankfurter Sekten-Filiale, erwarb dafür die Erleuchtung eines sogenannten „operierenden Thetan“.

Seit elf Jahren aber will Alvarez nicht mehr zu den Scientologen gehören, distanziert sich jedoch nur halbherzig von deren Lehren. So räumte er wiederholt ein, er habe in den Schriften von Sektengründer L. Ron Hubbard „manches Brauchbare“ gefunden. Er werde „weltanschauliche Elemente der Lehre Hubbards (...) weiterhin benutzen“, allerdings nur für sich privat. Alvarez: „Genauso wie ich die Autobahnen benutze, obwohl Hitler sie gebaut hat.“

Ursula Caberta, Leiterin der vom Senat eingesetzten „Arbeitsgruppe Scientology“, hält es jedoch für „äußerst schwierig“, Hubbards

Lehren privat zu nutzen, gleichzeitig aber beruflich nicht damit zu arbeiten. Werde „die gefährliche Technologie Hubbards“ von Alvarez im Theater weiterverbreitet, sei für sie „die Grenze des Tolerierbaren“ überschritten. Doch genau das werfen die Scientologen Alvarez vor. Sie erklärten ihn 1989 in einem internen Papier auch deshalb zur „Unterdrückerischen Person“, weil er im Theatron nach ihrer Ansicht „abgewandelte Versionen von Scientology-Kursen und Technologien lehrt“. Der Düsseldorfer Scientology-Experte Ralf-Dietmar Mucha sieht in Alvarez ebenfalls ein sogenanntes „Eichhörnchen“, im Sprachgebrauch der Scientologen ein Totsünder, der sich aus Hubbards Lehre bedient und sein eigenes Süppchen darauf kocht.

Alvarez muß befürchten, daß seine Sekten-Vergangenheit und sein diffuses Verhältnis zur Hubbardschen Lehre ihm jede Chance nimmt, jemals eine Finanz-Förderung seines Theaters durch die Kulturbehörde zu erlangen. Unablässig schreibt er Erklärungen, in denen er sich von der „hierachischen, militanten und menschenunwürdigen“ Organisationsstruktur der „Scientology Church“ abgrenzt.

Auch Sahrah Picard, Alvarez Lebensgefährtin und Kollegin, die 1982 und 1983 zwei Kurse bei der Sekte machte, verschickt Erklärungen, daß Scientologen bei ihr Hausverbot hätten. Das hinderte sie jedoch nicht daran, vor wenigen Monaten einen Theaterkurs mit dem Schauspiellehrer Manu Tupou anzubieten, der nach Informationen Muchas ebenfalls Scientologe ist.

Ursula Caberta warnt zwar vor einer „pauschalen Verurteilung von Ex-Scientologen wie Alvarez“ und Picard, sieht aber Handlungsbedarf: „Alvarez muß sich ganz klar von Hubbards Lehren distanzieren.“ Fraglich allerdings, ob eine plötzliche Total-Abkehr des Theatermanns von den Thesen des Sekten- Gründers noch glaubwürdig wäre. Thomas Koch