Hoffnungsloser Appell an Islamische Konferenz

■ Präsident Alija Izetbegović will die arabischen Staaten um größere materielle und politische Unterstützung für Bosnien bitten

Genf (taz) – Der muslimische Präsident Bosnien-Herzegowinas, Alija Izetbegović, hat die Genfer Jugoslawienkonferenz gestern nachmittag vorzeitig in Richtung der senegalesischen Hauptstadt Dakar verlassen. Bereits letzten Donnerstag hatte Izetbegović angekündigt, er wolle die Konferenz islamischer Staaten um Unterstützung für die Forderung nach Rückzug und UN-Kontrolle aller schwerer Waffen in Bosnien bitten. Sollten die bosnischen Serben dies verweigern und der UNO-Sicherheitsrat daraufhin militärische Interventionsmaßnahmen beschließen, sollten diese zu deren Finanzierung beitragen. Schließlich wolle er die islamischen Staaten auffordern, sich beim UNO-Sicherheitsrat dafür einzusetzen, das gegen alle Republiken Ex-Jugoslawiens verhängte Waffenembargo für Bosnien aufzuheben.

Die Erwartung, daß sich die islamischen Staaten aktiv an militärischen Interventionsmaßnahmen beteiligen, hat Izetbegović nicht. Auch die Hoffnung auf direkte finanzielle Unterstützung in größerem Ausmaß oder gar auf die Entsendung größerer Soldatenkontingente zur Verstärkung der eigenen Truppen hat der bosnische Präsident inzwischen aufgegeben. In Genf macht er inzwischen keinen Hehl mehr aus seiner tiefen Enttäuschung über die bisherige Haltung zumindest der Regierungen der islamischen Staaten. Außer verbalradikalen Solidaritätserklärungen, verbunden mit vorsichtiger Kritik am Versagen der westlichen Staaten, sei bislang kaum Unterstützung gekommen. Die rund 30 Millionen US-Dollar, die bisher aus verschiedenen islamischen Staaten nach Sarajevo flossen, sind kleine Fische angesichts der finanziellen Möglichkeiten der islamischen Konferenz, der eine Reihe reicher Erdölländer angehören.

Über die Zahl der „islamischen Kämpfer“, die aus anderen Staaten inzwischen nach Bosnien gekommen sind, schweigt sich Izetbegović aus. Vom Zagreber Hauptquartier der UNO-Schutztruppe wird sie auf „maximal einige hundert“ beziffert. Behauptungen des bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić, wonach es bereits „über 3.000“ seien und weitere, für den Einsatz in Bosnien ausgebildete 25.000 Kämpfer in ihren jeweiligen Heimatländern nur auf den Marschbefehl warteten, werden bei der UNO als „Blödsinn und Propaganda“ bezeichnet. Auch Waffen sind bisher jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang geliefert worden. Vor allem keine schweren waffen, mit denen die Muslime — wenn überhaupt — vielleicht eine Chance hätten, die Serben aus den von ihnen besetzten Gebieten zu vertreiben.

Der Druck auf die Regierungen der islamischen Staaten, die bosnischen Muslime stärker zu unterstützen, wäre möglicherweise größer, wenn die Bevölkerungen ein realistischeres Bild über Stand und bisherigen Verlauf der Genfer Konferenz hätten. Dieses Bild wird in den von den Regierungen kontrollierten Medien jedoch weitgehend schöngefärbt, wie die Genfer JournalistInnen aus diesen Staaten übereinstimmend berichten. So soll der Eindruck, daß sich auf der Genfer Konferenz etwas bewege, aufrechterhalten werden.

In vielen Fällen betreiben die KollegInnen daher bereits Selbstzensur. Jüngstes Beispiel: Als der Sprecher der Konferenzvorsitzenden Vance und Owen wegen der kritischen Medienreaktionen auf ihren Teilungsplan für Bosnien die Journalisten mahnte, sie sollten „aufhören, die bosnischen Moslems zu bejammern“, herrschte bei den KorrespondentInnen aus allen Ländern große Empörung. Doch keinE KollegIn aus einem islamischen Staat berichtete über diese Äußerung. Andreas Zumach