Solidarität ohne Diskussionsbedarf

Treffen der Kuba-Solidaritätsgruppen in Nürnberg/ „Keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten“/ Schriftsteller werben für ein Kulturzentrum in Havanna  ■ Aus Nürnberg Bert Hoffmann

„200.000 D-Mark sind inzwischen gespendet worden“, verkündet ein Vertreter der „Schaffen wir ein, zwei, viele Barrel Öl nach Kuba“-Kampagne das stolze Ergebnis. „Und wir haben auch gezeigt, daß es uns nicht nur um die Armen und Alten geht, sondern tatsächlich um das gesellschaftliche Modell!“ Nicht nur die Ölkampagne meldet Erfolge; die Kuba-Solidarität hat Zuwachs, ohne Zweifel. Deutlich mehr TeilnehmerInnen als in den Vorjahren waren am Wochenende zu dem bundesweiten Kuba-Kongreß gekommen, zu dem die „Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba“ nach Nürnberg eingeladen hatte; und etliche der praktischen Initiativen haben sich erst in den letzten ein, zwei Jahren gegründet.

Doch grundsätzlichen Diskussionsbedarf über das „gesellschaftliche Modell“ und seine Realität in Kuba hatte man in Nürnberg dafür um so weniger. So standen keine Debatte, sondern praktische Schritte und der Austausch der verschiedenen Projekte auf dem Programm. Beschlossen wurde etwa die Einrichtung einer zentralen Kuba-Infostelle. Und für viele der Angereisten ging es bei dem Treffen auch vor allem um die ganz praktischen Fragen der materiellen Hilfe: Welche Medikamente werden besonders benötigt? Wie sind die bisher gemachten Erfahrungen mit den Biogas-Projekten oder der Solarenergie? Wie ist der Transport am besten zu organisieren? Deutlich wurde dabei in Nürnberg aber auch immer wieder die Distanz zum Selbstverständnis breiter Teile der nicht Kuba-spezifischen Solidaritätsbewegung. So hatte etwa die Lateinamerika- Zeitschrift ila über Monate eine heftige Debatte darüber geführt, wie man für Kuba zwar gegen die Blockade-Politik der USA solidarisch sein kann, gleichzeitig aber auch für die Opfer staatlicher Repression in Kuba eintreten kann. Doch bei dem Treffen in Nürnberg war die Kuba-ohne-wenn-und- aber-Solidarität praktisch unter sich, waren derartige Fragen keiner Diskussion würdig. Die Präambel für die beschlossene Infostelle klopft dies so fest: „Keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Cubas, auch nicht durch Instrumentalisierung der sog. ,Menschenrechte‘ zur ausschließlich gegen Cuba geschwungenen Waffe“. Einstimmig angenommen.

Wo die Solidaritätsbewegung sich bei ihrer Einmischung in die Dinge der Welt immer fragen muß, mit wem in einem Land sie denn solidarisch ist, bleibt bei dem Nürnberger Kuba-Treffen die Gleichsetzung: Kuba=Regierung unhinterfragt. „Cuba muß es möglich sein, über die Weiterentwicklung einer humanen und gerechten Gesellschaft selbst zu entscheiden“, heißt es da fettgedruckt im Resolutionsentwurf. Wer allerdings in Kuba entscheidet, und wer in Kuba nichts zu sagen hat, das ist kein Thema für diese Solidarität, sondern wäre arrogante Einmischung. „Es gibt eine Linke, und es gibt eine sogenannte ,Linke‘, die zu viele Bücher gelesen hat“, definiert dies der ansonsten betont sachlich-nüchterne Botschaftsrat Alfredo León mit Verve vom Podium: „Aber es ist eine andere Sache, eine Revolution zu machen! Patria o Muerte, Vaterland oder Tod, das ist die einzige Haltung, wie man vor der Tür der USA existieren kann — alles andere ist ,linke‘ Küchenliteratur!“

Eine Positionsbestimmung, gegen die sich in Nürnberg keine Stimme erhob. Gruppen, die für eine kritischere Kuba-Solidarität plädieren, waren nicht zu dem Treffen gekommen. Ausdrücklich nicht staatsfixierten „Sauerstoff“ für Kubas Intellektuelle hat sich auch die im letzten Jahr gebildete Initiative für ein Heinrich-Heine- Kulturhaus in Havanna zum Ziel gesetzt – und damit viele prominente UnterstützerInnen gefunden, von Günter Grass bis Hans Magnus Enzensberger, von Martin Walser bis hin zu Erich Hackl, der mit seinem energischen Eintreten für verfolgte kubanische Intellektuelle in heftigen Streit mit der Soli-Bewegung geraten war (siehe Interview).

„Dies ist kein Projekt ,für die Regierung‘, ganz sicher auch kein Projekt ,gegen die Regierung‘, sondern ein Projekt für die Literatur und für die kubanischen Schriftsteller“, erklärt der Züricher Verleger Egon Ammann, seines Zeichens stellvertretender Vorsitzender der Heine-Haus-Initative, die für die Kuba-Solidarität so unübliche Staatsferne des Vorhabens. In diesen Zeiten nicht nur der materiellen Engpässe, sondern auch der politischen Verhärtung gerade im Kulturbereich will das neue Kulturhaus vor allem auch ein (Frei-)Raum für Gespräche und Diskussionen sein.