piwik no script img

Wir sind Provinz

■ Weitgehende Ignoranz der UNO-Informationsabteilungen gegenüber Zeitungen, TV und Hörfunk der Bundesrepublik

Scheinbar hochaktuell war das ARD-Frühstücksfernsehen am Montag morgen. Zum Auftakt des Besuchs von Butros Ghali, der am späten Sonntag abend zu seinem ersten Bonn-Besuch eingetroffen war, kündigte der Moderator den „UNO-Generalsekretär im Morgenmagazin“ an. Es folgte ein 20-Sekunden-Statement, in dem der Ägypter die Deutschen aufrief, sich nach der Vollbringung ihrer Vereinigung jetzt stärker um in- ternationale Probleme zu kümmern. Tatsächlich hatte Ghali diese Äußerung nicht, wie die Fernsehzuschauer glauben mußten, nach seiner Ankunft in Deutschland gemacht. Der kurze Ausschnitt stammte aus einem Interview, das der Generalsekretär der New Yorker UNO-Korrespondentin der ARD, Petra Lidschreiber, bereits am 27. Dezember in Genf gewährt hatte.

Die kleine Mogelei ist verzeihlich angesichts der auffälligen Zurückhaltung, die Ghali bisher gegenüber deutschen Medien an den Tag legte. ARD-Korrespondentin Lidschreiber lief monatelang mit ihrer Interview-Bitte hinter dem Generalsekretär her. Dabei plante sie einen längeren Beitrag nicht nur über seine Person, sondern auch über die Arbeit der UNO — ein Anliegen, das eigentlich im wohlverstandenen Selbstdarstellungsinteresse der UNO liegen müßte. Das Anfang Dezember erschienene Spiegel-Gespräch mit dem UNO-Generalsekretär war das erste überhaupt in einem deutschen Printmedium. Während seines viertägigen Bonn-Besuches, so verfügte Ghali, werde er überhaupt keine Interviews geben, sondern nur eine Pressekonferenz abhalten. Auch das am Dienstag veröffentlichte FR-Gespräch wurde vorab am letzten Samstag in Paris geführt.

Nun hatte der UNO-Generalsekretär in seinem ersten Amtsjahr möglicherweise triftige Gründe, warum er Botschaften, die ihm wichtig waren, vornehmlich in Interviews mit US-amerikanischen oder französischen Medien unterbrachte. Auch wollte er, um den Eindruck der Einmischung in die innenpolitischen Diskussionen der Bundesrepublik zu vermeiden, zunächst Fragen deutscher Journalisten nach seiner Meinung zur Beteilung der Bundeswehr an UNO- Einsätzen ausweichen.

Was immer Ghalis bisherige Motive waren: Sein Verhalten paßt zu der generellen Ignoranz der UNO-Informationsabteilungen gegenüber deutschen Medien in Genf noch mehr als in New York. Eine problematische Ignoranz, selbst wenn man Deutschland nicht für den Nabel der Welt hält. Nicht einmal die großen deutschen, international verbreiteten Blätter FAZ oder Süddeutsche werden in den Informationsabteilungen gelesen oder gar ausgewertet. Von der FR oder der taz, die immerhin seit 26 beziehungsweise fünf Jahren einen festen UNO- Korrespondenten in Genf haben, ganz zu schweigen. Dieselbe Nichtbeachtung gilt den deutschen Hörfunk- und Fernsehprogrammen. Auf kritische Berichte und Kommentare über die Arbeit der UNO und ihrer Sonderorganisationen wird von deren Sprechern immer erst reagiert, wenn sie in Le Monde, der Financial Times, der International Herald Tribune oder dem französischen Fernsehen erscheinen.

Bei wichtigen Ereignissen, bei denen die Zahl teilnehmender Journalisten begrenzt werden mußte – wie zum Beispiel Ghalis Silvesterreise nach Sarajevo oder Yassir Arafats Rede vor der nach Genf verlegten UNO-Vollversammlung im Dezember 1989 – gibt die UNO-Informatiosnabteilung regelmäßig kleinen Westschweizer oder französichen Provinzblättchen den Vorzug vor den großen Medien aus Deutschland. Andreas Zumach, Genf

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen