Giftmord als kühles Kunstwerk

■ Max Eipps Inszenierung von Elfriede Czurdas "Die Giftmörderinnen" auf Kampnagel

Inszenierung von Elfriede Czurdas Die Giftmörderinnen auf Kampnagel

„Glück! Wirklichkeit?“ erscheint zur Mitte der Inszenierung als projizierte Schrift am Bühnenhintergrund. Dann „Halt“, sowohl Ausruf als auch Schutzversprechen.

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8Das Licht holt die verborgenen Frauen wieder hervor und läßt sie weitererzählen, bis zum bitteren Ende einer Familiengeschichte, einer zeitlosen weiblichen Leidens-

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5erzählung, die in den Sätzen: „Man müßte die Männer vergiften!“ und „Else tut ihr Werk“ ihr kriminelles Ende findet.

Mit drei Kunstgriffen bewältigt Regisseur Max Eipp die Dramatisierung von Elfriede Czurdas Roman Die Giftmörderinnen, der auf einem authentischen Fall aus den 20er Jahren aufbaut, den auch schon Alfred Döblin literarisiert hat. Eipp läßt den Prosatext unbehauen, die Tragödie also in der dritten Person ablaufen. Jede der drei Protagonistinnen erzählt so über sich selbst in einer entrückten Form, die der Erzählung wahnhafte Züge verleiht. Eine zweite Distanzierung schafft er durch starke Rhythmisierung der Texte. Kombiniert mit einer zackigen Choreografie von Marion Buchmann (die hier ihre letzte Choreografie mit der eigenen Compagnie, dem Tanz Theater Hamburg, vergessen macht) ergeben diese drei Elemente eine eindringliche neue Form. Zwar läßt diese oft den Inhalt der Geschichte bis zur Unaufmerksamkeit in den Hintergrund treten. Gleichzeitig verleiht die abstrahierte Darstellung der Inszenierung aber eine ungeheure Musikalität, die durch die atmosphärischen, live gespielten Klaviereinwürfe von Hennes Holz noch hintergründiger wirkt.

Die Geschichte von zwei Freundinnen, die unter der seelischen Diktatur von ihren Ehemännern und Elses Schwiegermutter Frau Rinx erst zueinander und dann zum gemeinsamen Giftmordkomplott finden, bildet mehr den bizarren Rahmen dieser ungewöhnlichen Inszenierung, als ihre Schlagader. Die Texte wandern zwischen den drei brillanten Protagonistinnen Petra Bogdan, Beate Ehlers und Petra Wolf hin und her, überlagern sich und entflechten aus dem Stimmgewirr zufällige, aber nicht willkürliche Bedeutungen. Zwar ist diesen jeweils eine Figur zugeordnet (die Freundinnen Else und Erika und die Schwiegermutter Frau Rinx), aber tatsächlich färben in dem Textspiel die Wesenszüge ab, vermischen sich und liefern so neue Winkel, in denen sich textliche Überraschungen verbergen.

Frau Rinx, die schon mal nachts nackt am Ehebett des Sohnes auftaucht und fleischliche Befriedigung verlangt, bleibt als Vorstellung stets über ihrer Darstellerin Beate Ehlers, ebenso wie die verführte und mißbrauchte wunderschöne Else nie tatsächlich mit Petra Bogdan identifiziert werden kann.

In dem zurückhaltenden Bühnenbild von Sigrid Timm, das eigentlich nur aus sechs mit Erde, Gras und Geschirr bedeckten Küchentischen besteht, liefern die chirurgische Lichtregie und die interpunktierenden Textprojektionen weitere Bausteine eines kleinen Gesamtkunstwerkes. Eipps kühler Blick auf das Ganze erzielt eine strenge Komposition und verhindert die Konkurrenz der Bestandteile. Erstaunlich, daß dennoch das wesentlich Menschliche im Mittelpunkt verbleibt, was ja vielleicht nicht zuletzt auch das Verdienst von drei präzise arbeitenden Schauspielerinnen ist. Eine rundum schöne Theaterarbeit. Till Briegleb

Noch bis zum 23.1., jeweils 20.30 Uhr, Halle 1