Selbstverständliches möglich machen

■ Sozialsenat: Opfer rassistischer Gewalt entschädigen

Die Sozialverwaltung will sich für eine neue Bundesratsinitiative in Berlin bei der Entschädigung der Opfer rassistischer Gewalt einsetzen. Dies sagte die Ausländerbeauftragte Barbara John gestern zur taz. „Die Diskussion laufe seit längerem“. Denkbar sei aber auch, daß der entsprechende Anstoß vom Abgeordnetenhaus ausgehe, „denn das Gesetz ist korrekturbedürftig“.

Solch eine Bundesratsinitiative fordert auch der Ausländerbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Hans Thomä-Venske.

In einem Schreiben an Senat und Brandenburger Landtag forderte er, daß der Kreis der Anspruchsberechtigten auf alle Menschen ausgedehnt werde, „die in Deutschland Opfer rassistischer Gewalt geworden sind“.

Nach dem 1985 verabschiedeten „Gesetz über die Entschädigung von Gewalttaten“ erhalten nur die Menschen – oder bei tödlichen Angriffen deren Nachkommen – eine Kompensation, die aus EG-Ländern stammen.

Leer gehen durch diese Begrenzung die Opfer aus, die aus Dritte- Welt-Ländern wie Vietnam oder Angola kommen. Im vergangenen Jahr gab es in Berlin, wie Barbara John ermittelte, 87 Gewalttaten „mit rechtsextremistischem Bezug“ (1991: 57 Fälle). Zwei Menschen wurden getötet, 36 verletzt (bundesweit 17 Tote und 502 Körperverletzungen).

Erstochen wurde am 21. November 1992 der deutsche Hausbesetzer Silvio Meier und am 24. April der Vietnamese Ngyun Van Tu vor einer Kaufhalle in Marzahn. Laut Gesetz haben aber nur die Nachkommen von Silvio Meier Anspruch auf eine Entschädigung. Zwar habe auch die Familie von Van Tu eine Unterstützung erhalten, sagte Frau John, dies aber aus „Sondertöpfen der Sozialverwaltung“. Denn einen juristischen Anspruch habe die Familie nicht, obwohl dies eine Selbstverständlichkeit sein müßte.

Frau John hält es für eine „ganz grobe Ungerechtigkeit“, daß bei diesem Opferentschädigungsgesetz die Mehrheit der ausländischen Wohnbevölkerung ausgegrenzt werde.

1987, nach den Anschlägen auf die Diskothek „La Belle“, dem israelischen Restaurant „Mifgash“ und dem „Maison de France“, bei denen insgesamt 250 Menschen verletzt und zwei getötet wurden, versuchte Berlin schon einmal eine entsprechende Bundesratsinitiative. Allerdings vergeblich.

Trotz anderthalbjährigen Überzeugungsversuchen war kein anderes Bundesland dazu zu bewegen, sich für einen Wegfall der Gegenseitigkeitsklausel einzusetzen. aku