Bagdad am Tag nach dem Bombardement

■ Saddams Rhetorik kann Hauptstäd- tern die Angst vor Angriff nicht nehmen

„Wie schön ist der Sieg mit Gottes Hilfe!“ Mit diesen Worten beendete Saddam Hussein in der Nacht zum Donnerstag seine Fernsehrede, mit der er sich, knapp drei Stunden nach Beginn des Luftangriffs auf militärische Stellungen im Südirak, an seine Landsleute wandte. „Es ist Gottes Wille, in diese Runde des Kampfes zu gehen, um einen neuen Sieg zu erringen, so wie die Iraker schon früher zahlreiche Siege erringen konnten. Sorgt dafür, oh ihr Iraker, daß der Himmel über dem Irak voller Feuer sein wird“, rief er den Einheiten der irakischen Flugabwehr zu. „Ruft nur Allah ou Akbar, und ihre Flugzeuge werden zerstört sein.“

Doch die martialische Rhetorik, mit der Saddam Hussein die irakische Bevölkerung gegen den „Satan“ Bush mobilisieren will, findet in den Straßen der irakischen Hauptstadt kaum noch Gehör. Die gestrigen Reaktionen auf die Rede des Diktators waren bezeichnend: Viele Menschen hier fürchten, die westlichen Alliierten könnten sie als Anlaß für einen Angriff auf Bagdad nehmen. Zwar waren die Lebensmittelgeschäfte und Verkaufsstände wieder geöffnet, doch viele Grundnahrungsmittel waren nach den Hamsterkäufen der letzten Tage aus den Regalen verschwunden. Zeitungsverkäufer wurden regelrecht bedrängt, doch nur wenige Blätter waren erschienen. Die irakischen Tageszeitungen Al Thaura und Al Irak sprachen vom Beginn eines neuen Krieges.

Am Mittwoch, in Erwartung des Angriffs, war die Stimmung in Bagdad ähnlich wie vor zwei Jahren, unmittelbar vor Beginn des Golfkrieges: Zahlreiche Familien verließen aus Angst die Stadt, andere horteten vorsichtshalber Lebensmittel. Angesichts der großen Nachfrage kletterten die Preise von Grundnahrungsmitteln wie Zucker, Reis und Eier, vor den Tankstellen bildeten sich mehrere hundert Meter lange Schlangen.

Umgeschlagen war die Stimmung erst am Dienstag. Viele IrakerInnen hatten bis dahin auf die jüngste Eskalation zwischen ihrem Land und den USA mit einer Mischung aus Gleichgültigkeit und Zufriedenheit reagiert. „Man muß endlich nein sagen zu diesem Verbrecher Bush“, meinte Hassan, ein junger Arbeitsloser in einem Teehaus in der Sadoun-Straße. „Aber ich glaube nicht, daß die Konfrontation eskalieren wird. Unsere Führung wird ihre Haltung wie früher im letzten Moment ändern.“ Doch Hassans Einschätzung sowie die seiner Führung hat sich als falsch erwiesen. „George Bush hat diesmal die Spielregeln geändert“, sagte ein arabischer Diplomat, der anonym bleiben wollte.

Tatsächlich war Bush diesmal entschlossen, Härte zu demonstrieren, und der übliche irakische Rückzieher erfolgte diesmal einfach nicht rechtzeitig. Nach Angaben aus offiziellen Kreisen in Bagdad — die mit Informationen aus New York übereinstimmen — übergab der irakische UNO-Botschafter Nizar Hamdoun dem Präsidenten des Sicherheitsrates vor Beginn der militärischen Operation einen Brief, in dem es hieß, der Irak werde seine Haltung ändern. Die Raketen in den Flugverbotszonen würden zurückgezogen, die UNO-Inspektoren dürften wieder mit ausländischen Flugzeugen nach Bagdad fliegen. Außerdem werde es keine weiteren Vorstöße nach Kuwait mehr geben. „Aber es war zu spät“, fügte der arabische Diplomat hinzu. Khalil Abied, Bagdad