Rosa Torte & lila Kaffee

■ Coming out: Über die schwul/lesbische Jugendgruppe im Rat & Tat-Zentrum

Rosa Torte & lila Kaffee

Coming Out: Über die schwul / lesbische Jugendgruppe im Rat & Tat-Zentrum

Ohne „Herzklopfen" und „Erkenne Dich selbst" kein Coming—out F.: J.O.

Samstags ab siebzehn Uhr sind die BesucherInnen im Rat und Tat jünger als sonst. Dann trifft sich dort die Gruppe junger Lesben und Schwuler. „Vor drei Jahren waren hier fast nur Schwule“, blicken Charlotte, Mirja, Michael und Peter zurück. „Aber vor eineinhalb Jahren haben wir Frauen das Café einfach gestürmt!“, lacht Mirja. Damals hatte sie sich mit zwei Freundinnen zur Jugendgruppe ins Café verabredet. Dann sind sie jeden Samstag wieder gekommen und seitdem hat sich die Zusammensetzungges geändert. „Wir sind zur Hälfte Lesben, zur Häfte Schwule“, sagen die Jugendlichen. Sie sind überzeugt: „Lesben und Schwule sollten sich nicht

Life-Style

untereinander ausgrenzen!“

Mit den bis zu 30 jungen Leuten, die sich regelmäßig treffen, gehört die Jugendgruppe, die sich im Rat und Tat-Zentrum trifft, zu den größten Gruppen im Norden. Vielleicht bis auf Berlin. So genau weiß das niemand. Die Jugendszene ist spontan organisiert. Und leider viel zu klein: „Hierher kommen junge Lesben und Schwule aus dem ganzen Umland, weil es da nichts gibt!“ erzählen die Mitglieder der Gruppe. „Von Oldenburg bis Bremerhaven reicht das Einzugsgebiet, da ist ja überall wenig bis gar nichts los!“

Um zu hören, was in anderen Städten läuft, ist die ganze Gruppe im Dezember nach Hamburg ge

fahren: auf eine Konferenz der lesbisch-schwulen Jugendgruppen. „Ich bin ganz froh, daß ich in Bremen wohne“, sagt Michael. „Hier ist das Klima liberaler!“

Diskussionen in Schulen sind ein wichtiger Schwerpunkt der hiesigen Jugendgruppe. „Sowas ist in Bayern undenkbar. Da ist es verboten, für Homosexualität zu werben!“ entrüstet sich Michael. Dann grinst er: „Und ein bißchen werben, das wollen wir natürlich schon!“

„Und Vorurteile ausräumen“, sagt Charlotte. „Die Kids haben doch allen möglichen Quatsch über uns im Kopf.“ „Zum Beispiel die Idee vom Schwulen, der jedem Mann nachstellt - oder von der Lesbe, die auf Frauen steht, weil sie so häßlich ist, daß sie keinen Mann abkriegt!“ schimpfen alle auf einmal los.

„Natürlich gehen wir auch in die Schulen um zu sagen, guck mal, so wie wir könnt ihr auch leben! Wenn mir das jemand früher gesagt hätte, dann hätte ich es mit meinem Coming-Out bestimmt leichter gehabt!“, fügt Peter dazu. „In den Klassen sitzen oft Jugendliche, die wissen, daß sie lesbisch oder schwul sind. Aber sie können mit niemandem darüber reden! Wir laden die SchülerInnen zu uns ein, dann können sie mal gucken.“

„Ich hätte das gebrauchen können“, sagt Charlotte: „Ich war 15, als ich wußte, das ich lesbisch bin. Darüber gab es zu Hause den größten Krach. Ein paarmal bin ich um das Rat und Tat herumgelaufen — und habe mich nicht hereingetraut. Erst ein paar Jahre später habe ich es gewagt!“ Diese Situation kennen alle aus der Gruppe: Es war nicht einfach, den ersten Schritt zu machen. „Aber wichtig war's“, stellt Mirja klar. „Mit einer Gruppe im Hintergrund bin ich viel offensiver. Weil ich weiß, wenn ich blöd angemacht werde, stehe ich nicht alleine!“

Deswegen denkt die Gruppe auch über eine Telefonkette nach: „Falls mal etwas passiert, können wir uns anrufen, um uns zu trösten oder zur Polizei zu begleiten.“

Das Telefon spielt auch für Neue eine große Rolle: Wer sich nicht traut, kann beim Info-Telefon anrufen. „Aber wir kümmern uns um neue Gesichter. Niemand soll hier dumm rumstehen!" versprechen die Leute von der Gruppe. ede

Info-Tel.: 327609 / 632115