■ Das Portrait
: Helga Einsele

Mit Vehemenz wetterte sie in den fünfziger Jahren gegen die Versuche, die Todesstrafe wiedereinzuführen. Mit leidenschaftlicher Konsequenz setzt sie sich gegen die lebenslange Freiheitsstrafe, „die Todesstrafe auf Raten“, ein. Sie gilt als Pragmatikerin, Reformerin und Humanistin, die heute 82jährige Helga Einsele, von 1947 bis 1975 Leiterin der Frauenhaftanstalt Frankfurt-Preungesheim.

Das Klima, auf das die Juristin 1947 in Preungesheim stieß, war von der NS-Zeit geprägt. Frauen wurden im Kommandoton mit Nachnamen angeredet und geduzt. Den Umgangston veränderte die neue Direktorin als erstes; dem folgten schrittweise weitere Veränderungen, alle mit dem Ziel der Resozialisierung. Schon Anfang der fünfziger Jahre führte sie in der Anstalt den Gruppenvollzug ein. Gefangene wurden in handwerklichen und kaufmännischen Berufen ausgebildet. „Uns schien am wichtigsten, den Frauen ein Selbstwertgefühl wiederzugeben“, kommentierte Helga Einsele ihre Arbeit. „Das ist natürlich außerordentlich schwierig, weil ja alles, was eine Strafanstalt bietet, Repression, Unterdrückung, Demütigung und Einschränkung bedeutet.“

In manchen Haftsituationen konnte die Gefängnisdirektorin ganz pragmatisch helfen. Sie stritt dafür, daß Kleinkinder weiterhin bei ihren inhaftierten Müttern bleiben konnten. 1975, im Jahr ihrer Pensionierung, wurde in Frankfurt das erste Mutter- Kind-Haus der BRD eröffnet, ein Haus, das für viele folgende Pate stand. KritikerInnen dieses Modells hielt Einsele stets entgegen, sie wüßten nicht, „wie es vorher war, als die Mütter zwangsabstillen und zurück in die Zelle mußten, während die Neugeborenen ins Heim kamen“.

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Doch nicht nur der Frauenstrafvollzug liegt ihr am Herzen. Konsequent setzte sich Helga Einsele als SPD-Mitglied gegen die Zustimmung zur deutschen Wiederbewaffnung und gegen die geplante Notstandsgesetzgebung ein, bis sie 1961 aus der Partei ausgeschlossen wurde – „aufgrund meiner Nähe zum SDS“. Als Querdenkerin erhob sie auch danach immer wieder ihre Stimme, ob auf Demonstrationen gegen den Paragraphen 218 oder bei den Sitzblockaden in Mutlangen. Die demonstrierende Seniorin handelte sich eine Geldstrafe ein. Doch das schreckt sie nicht ab. Nur auf die Straße mag sie sich heute nicht mehr setzen – aus gesundheitlichen Gründen. flo