Lafontaine und Klimmt bleiben cool

■ Staatsanwaltschaft ermittelt nicht gegen Klimmt / JU heult weiter

Berlin (taz/dpa) — Der Volkszorn läßt auf sich warten, die Volksvertreter nicht: die ersten Reaktionen zum zweiten Versuch des ‘Spiegel', Oskar Lafontaine zum Opfer radikaler sittlicher Aufklärung zu machen, haben die erwartete Bandbreite. Als „absurd“ hat der saarländische SPD- Fraktionschef Reinhard Klimmt am Montag die Vorwürfe zurückgewiesen, er habe hinter dem Rücken von Staatsanwaltschaft und Gericht einen Schwerverbrecher über den Stand seines Mordverfahrens informiert. „In der Sache und auch juristisch“ sei an seinem Briefwechsel mit dem in Frankreich inhaftierten Hugo Peter Lacour nichts zu beanstanden. Dem schließt sich wohl auch die Staatsanwaltschaft Saarbrücken an, die nach Prüfung des Sachverhaltes kein Ermittlungsverfahren gegen Klimmt einleiten wird — allerdings die Einrichtung eines solchen gegen den saarländischen Justizminister Arno Walter (SPD) noch prüft.

Die Junge Union forderte hingegen Klimmt und Lafontaine (SPD) auf, ihre Ämter bis zur Aufklärung der Vorwürfe ruhen zu lassen: es sei „unerträglich“, daß sich Lafontaine als derzeitiger Bundesratspräsident und damit zweithöchster Repräsentant der BRD „dem Verdacht von Kontakten zur Halb- und Unterwelt aussetze“. Der saarländische CDU-Fraktionschef Peter Jacoby beklagte gar einen „Image-Verlust“ des Bundeslandes durch die „neue Affäre“. Der Bonner SPD-Vorstand nannte die Vorwürfe „haltlosen Unfug“, während Lafontaine selbst, der gestern in seiner Eigenschaft als deutsch- französischer Kulturbeauftragter an der Sorbonne in Paris weilte, einstweilen beim Schweigen bleibt. Die SPD-Sprecherin Dagmar Wiebusch kam ihrer Aufgabe nach, indem sie die Vorwürfe des „Spiegel“ als „Versuch, mit einer lächerlichen Räuberpistole gezielt Rufschädigung zu betreiben“. SPD-Bundesgeschäftsführer Blessing zufolge gibt es „überhaupt keinen Zweifel an der Integrität der beiden“. Er fuhr fort: „Man braucht heute offenbar im Kloster aufgewachsene geschlechtslose Politiker.“ Auch der SPD-Vorsitzende Engholm kritisierte die Sittenwacht des Nachrichtenmagazins als Ausdruck mangelnder Lebensart in der BRD, die in Gefahr gerate, „kleinkariert“ zu werden.

Der „Spiegel“ hatte Lafontaine und Klimmt vorgeworfen, „einige Figuren aus dem Milieu“ mit Gefälligkeiten bedient zu haben. So habe Klimmt den „Unterweltkönig“ Lacour über den Stand seines Mordverfahrens unterrichtet. Lafontaine soll den ehemaligen Anführer einer Rockerbande als „Mädchen für alles“ in die Staatskanzlei geholt und ihm nicht nur zu einer großkalibrigen Schußwaffe verholfen haben, sondern auch zu Unterricht im Umgang mit derselben, den Tottila Schott vermutlich gar nicht nötig hatte. Seiten 4 und 10