■ Israels Parlament erlaubt Gespräche mit der PLO
: Ein hingeworfener Knochen

Wäre die Lage im Nahen Osten nicht so, wie sie ist, würden nicht seit über 30 Tagen 415 Palästinenser im „Niemandsland“ hungernd und frierend auf ihre Rückkehr warten und gäbe es nicht die zynischen und dummen Kommentare führender israelischer Politiker, die letzten Endes alle strukturell auf dem Niveau des Altnazi von 1958 sind, der meinem Vater gesagt hat: Daß man die Juden vergast hat, war nicht richtig, man hätte sie vertreiben können (siehe Israels Botschafter Navon in der FR vom 8.1.93), dann könnte man sich über die Entscheidung des israelischen Parlaments vom Dienstag freuen. Aber so gibt es überhaupt keinen Anlaß zur Freude, auch wenn Vertreter der PLO die Entscheidung begrüßen und als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung bewerten. Was sollen sie nebbich sonst sagen?

Nein, um einen Schritt handelt es sich nicht und schon gar nicht um einen wichtigen. Eher schon ist dies der Versuch, der PLO, der UNO und der westlichen Welt einen Knochen hinzuwerfen, in der Hoffnung, so vom Hauptproblem abzulenken. Und was ist das? Rabin, von dem ich noch vor einem halben Jahr geglaubt und gehofft habe, er würde der israelische de Gaulle werden, hat diese Chance schon verpaßt. Allerdings müssen wir heute nüchtern feststellen, daß er nie die Absicht hatte, in die Fußstapfen des großen Franzosen zu treten. Rabin ist überhaupt nicht an einem echten Frieden interessiert, und deshalb stört es ihn nicht, daß es zu einer Unterbrechung der Friedensgespräche gekommen ist. Hauptsache, er kann die Schuld an der Unterbrechung wieder den Palästinensern zuweisen. Rabins Politik zielt bewußt schamlos darauf hinaus, die gemäßigten Kräfte in der arabischen Welt zu schwächen und die Radikalen zu stärken. Er provoziert Attentate und Morde, um vor sich selbst und vor seinem Volk ein sauberes Gewissen zu haben, wenn man hart und unerbittlich zurückschlägt. Daß das die Radikalisierung und Fanatisierung der Hamas vorantreibt, nimmt man nicht nur in Kauf, vielmehr ist es sogar das Ziel.

Menschenrechte, Genfer Konvention, UNO-Resolutionen und nicht zuletzt die jüdische Ethik und Moral, das alles interessiert ihn nicht, da er die Welt aus einem Blickwinkel betrachtet, von dem aus er glaubt, alles machen zu können, was der Sicherheit Israels nützt, nämlich aus dem Blickwinkel des Opfers. Das alles haben wir schon mal gehört und gesehen. Damals hieß es: Recht ist, was dem deutschen Volk nützt. Und so sind wieder einmal, frei nach Alfred Döblin, nicht die Mörder, sondern die Ermordeten schuld. Abraham Melzer

Herausgeber der „SEMITTIMES“