"Täterschaft unwahrscheinlich"

■ Gericht kritisiert Manipulationsbereitschaft von Hamburger LKA-Beamten im Flora-Prozeß

von Hamburger LKA-Beamten im Flora-Prozeß

Im Prozeß vor dem Landgericht in Itzehoe ist eine Täterschaft der beiden Angeklagten Knud Andresen und Ralf Gauger nach dem derzeitigen Stand der Beweisaufnahme offenbar sehr unwahrscheinlich. Diese Ansicht vertrat der Kammervorsitzende Manfred Selbmann gestern beim 52. Verhandlungstag nach einer vorläufigen Bilanz des Prozeßverlaufs.

Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten vor, am 29. Juli 1991 in Pinneberg Betonplatten auf die Schienen der Bundesbahnstrecke Hamburg-Kiel gelegt zu haben. Sie sieht darin einen Mordversuch und einen gefährlichen Eingriff in den Schienenverkehr. Andresen und Gauger saßen bereits ein halbes Jahr in Untersuchungshaft.

Kritisch wertet das Gericht auch die „Manipulationsbereitschaft von Beamten des Hamburger Landeskriminalamtes (LKA)“, wie es in der 40seitigen Erklärung der Kammer heißt. Die LKA-Beamten hatten die beiden Angeklagten längere Zeit observiert. Für Selbmann reichen die Aussagen der LKA-Beamten nicht für eine Verurteilung aus, da für das Gericht „erhebliche Zweifel“ bestünden, ob eine genaue Wiedererkennung der Angeklagten aus einer Entfernung von 375 Metern, wie dies von den Beamten angegeben worden war, überhaupt möglich sei. Auch gebe es Widersprüche bei der Beschreibung der Kleidung der Angeklagten.

Falsch gewesen seien auch die Angaben der LKA-Beamten, die beiden Angeklagten seien ihnen aus früheren Störaktionen im Umfeld der linken Flora-Szene in Hamburg her bekannt. Alle drei Zeugen des LKA hätten diese Aussage aus ihrem Festnahmebericht vor Gericht widerrufen. In der Zwischenbilanz heißt es weiter, daß kein nachweisbares Motiv für die Tat festzustellen sei. Die Beweisaufnahme habe auch ergeben, daß sich die beiden Angeklagten zur angeblichen Tatzeit etwa einen Kilometer vom „Tatort“ entfernt aufgehalten hatten. Dies sei durch einen Zeugen bestätigt worden. Am nächsten Verhandlungstag nimmt die Staatsanwaltschaft Stellung. dpa/taz