Mit Scheuklappen gegen diese

■ Studierende auf der Straße: gegen die „Deform“-Pläne der Minister

Demo

„Reform ja — aber mit uns!“ F.: Steinberg

Eine richtig gelungene Demo war's, die die Bremer StudentInnen gestern von der Uni aus auf Beine und Fahrräder stellten, und viele von ihnen waren felsenfest überzeugt, daß das von der wunderbaren Einflußlosigkeit des AStA im Tiefschlaf kommt: „Der ist einfach nicht existent.“ Keine Latschdemo, nicht die ewiggleichen Mäkelparolen — sondern selbstgemalte Bilder, selbtgebastelte Scheuklappen am Kopf, selbstgesungene Lieder, à la Sesamstraße: „Tausend schöne Sachen / die gibt es überall zu lern' / damit das so bleiben kann / müssen wir uns WEHRN!“ Es waren viele. 3.000 schätzen die Studis, 1.000 die Polizei. Jedenfalls reichten die Reihen über alle Fahrspuren der Parkallee hinweg vom Stern unter der Bahn durch bis weit in die Rembertistraße hinein.

Hunde mit Halstuch. Seifenblasen. Megaphon-Wagen mit „Get up / stand up / for your rights...“ Zugucken machte Spaß: „Drachenkinder wehren sich!!“ spuckte ein kleiner grüner Drache hellrotes Feuer auf einem Transparent. Bunt gemalte Menschen liefen auf einem andern in die Uni,

eine Fabrik mit Zickzack-Dach, und kommen als schwarze Strichmännchen wieder raus.

In klaren, kurzen und verständlichen Hauptsätzen konnte eine Studentin bei Zwischenstops und auf der Abschlußkundgebung am Bahnhof über Megaphon sagen, was das Ganze sollte: ein bundesweit organisierter Protest gegen die geplante Neuregelung des Studiums (s. Kasten), gegen die „katastrophalen Auswirkungen“, vor allem dagegen, daß künftig alles mögliche zentral und von oben festegelegt werden soll, was derzeit in den Ländern, Unis und sogar Studiengängen entschieden wird.

Vor dem Hause des Wissenschafts-Senators hatten die Studierenden Pech. Scherf war in Bonn, Staatsrat Hoffmann in Berlin, Referent Köttgen „irgendwo in einem Institut“, erklärte Pressesprecher Alfke vor der Tür, und es gäbe bisher „keine „Alternativ-Position“, erst behördliche Vorbereitungen auf den geplanten Minister-Kanzler-Gipfel. Darauf mittleres Durcheinander: Alle rein? Warten, bis wer kommt? Sind die doch da? Lügen die? Ein Silvester-Knallerer wurde angemacht, ein Hund mit Halstuch zog den Schwanz ein. Die Studenten am Eingang waren auf Disput und Debatte auch nicht recht vorbereitet. Schließlich präsentierten andere den dicken Packen gesammelter Unterschriften gegen die „Uni- Deform“ und kamen als Kleingruppe durch beide Doppeltüren hinein, um sie oben loszuwerden.

Weiter zur Bahnhofs-Kundgebung. Eine Studentin zeigte im Machendraht-Einzelkäfig, was Deform bedeutet; andere steckten in Pappkartons „DIN 93“ mit codierten Strichen: „Einheits-StudentIn für die Industrie“. Ganz kleine Pappschilder waren auch dabei: „Hochschul-Reform ist doof, Revolution ist besser!“ Bis Montag gibt es jetzt täglich „Warnstreik“-Zeitung und alternative Veranstaltungen; Montag um 14.00 eine Vollversammlung, organisiert von den Studiengängen, von den Studierenden selbst. Motto: „Wir sind dem Leben auf der Spur / Ihr seid Totengräber nur!“ Susanne Paas