Vorfinanzierung erweicht Bonn nicht

■ Tiergartentunnel: Bundesverkehrsministerium erteilt Forderungen der Großen Koalition klare Absage / Senat soll für Tunnelbau aufkommen / Bonn hält auch andere Lösungen als einen Tunnel für möglich

Berlin. Am letzten Wochenende beschloß die SPD, den Tiergartentunnel mit 200 Millionen Mark aus der Landeskasse vorzufinanzieren. Bislang hatte man Gelder aus Bonn erwartet – vergeblich. Die 200 Millionen aber werden nicht, wie von der SPD erhofft, die Bundesregierung motivieren, den Rest zu finanzieren, erfuhr die taz vom Sprecher des Bundesverkehrsministeriums, Gerd Jürgen Scholz.

taz: Das Land Berlin will sich nun mit 200 Millionen Mark am Bau des Tiergartentunnels beteiligen. Fühlt sich Ihr Haus dadurch motiviert, die restliche halbe Milliarde hinzuzugeben?

Scholz: Wir haben immer wieder klargestellt, daß nach dem Bundesfernstraßengesetz die Baulast und die Finanzierungspflicht für den Straßentunnel eindeutig beim Land Berlin liegt. Nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) gibt es Möglichkeiten der Bundesförderung für in der Baulast der Kommunen liegende Straßenvorhaben. Das ist die einzige Möglichkeit, die wir sehen, Bundeshilfe für diese Maßnahme aufzuwenden. Das Finanzvolumen für das GVFG beträgt insgesamt 6,28 Milliarden Mark, davon stehen den Ländern 80 Prozent zur freien Verfügung zu. Diese können damit Maßnahmen des öffentlichen Personennahverkehrs genauso fördern wie Maßnahmen des kommunalen Straßenbaus. Der Tunnel wäre eine solche Maßnahme. Berlin steht von diesen 80 Prozent ein Anteil von 18,75 Prozent zu, über den es, auch für den Tunnelbau, verfügen kann.

Darüber hinaus gibt es kein Geld?

Nein.

Das bedeutet, das Land Berlin könnte innerhalb der ihm zustehenden Quote nur umschichten?

So ist es.

Wäre das Bundesverkehrsministerium bereit, sich an der Projektgesellschaft für den Tunnelbau zu beteiligen?

An der Projektgesellschaft soll sich die Reichsbahn mit 49 Prozent beteiligen. Damit sehen wir die Bundesinteressen im ausreichenden Maße vertreten. Es ist nicht vorgesehen, daß wir uns selber daran beteiligen.

Kennen die zuständigen Berliner Stellen Ihre Position?

Ja, wir haben ausführlich zu dem Komplex Stellung genommen. Zuletzt hat Staatssekretär Knittel in einem ausführlichen Schreiben an Senator Haase die Position des Bundes dargestellt.

Der Senat pocht darauf, daß der Bau des Tunnels ein Wunsch der Bundesregierung sei und er sich von daher einer Finanzierung nicht verweigern könne.

Wir akzeptieren dieses Argument nicht. Staatssekretär Knittel hat dem Senat in dem Schreiben wörtlich mitgeteilt: „Schon vor dem Beschluß zum Umzug des Parlaments und von Regierungsfunktionen nach Berlin wurde in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD des Landes Berlin vom 23. Januar 1991 Klärungsbedarf für das Projekt einer leistungsfähigen Nord-Süd-Autobahn in Tunnellage unter dem Tiergarten zur Entlastung des Zentrums und als Ersatz für die Entlastungsstraße dokumentiert. Deshalb ist dem Umzug allenfalls die zeitliche Vorverlagerung des Projektes anzulasten.“

Es ist also ein Projekt des Berliner Senats, und folglich solle der dafür aufkommen.

So ist es.

Können die von Ihrer Seite für erforderlich gehaltenen Maßnahmen zur verkehrlichen Infrastruktur am Spreebogen verwirklicht werden, auch ohne daß das Regierungsviertel untertunnelt wird?

Im städtebaulichen Ideenwettbewerb werden gewisse verkehrliche Vorgaben gemacht. Dort heißt es nur, daß der Durchgangsverkehr aus diesem Bereich herausgehalten werden soll. Man könnte theoretisch auch an andere Maßnahmen als den Tunnel denken.

Die Berliner SPD wirft Ihnen vor, sich hinter der Tunnelfrage zu verschanzen, um den Regierungsumzug zu verhindern.

Das ist absurd. Interview: Dieter Rulff