Dänemarks neue Regierung unter Führung der Sozialdemokraten steht

■ Maastricht-BefürworterInnen finden das günstig

Kopenhagen (taz) – Eine Mitte- Links-Koalition wird in Dänemark die wegen der „Tamilen-Affäre“ zurückgetretene Regierung Schlüter ablösen. Der künftige Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen informierte am Freitag die dänische Königin Margrethe, das formale Staatsoberhaupt, über das Ergebnis seiner einwöchigen Sondierungen: Seine Sozialdemokratische Partei hat sich mit der linksliberalen Radikalen Venstre sowie den Mitte-Parteien Christliche Volkspartei und Zentrumsdemokraten auf ein Regierungsprogramm geeinigt.

Zu Beginn der kommenden Woche wird das Folketing abstimmen. Die Viererkoalition kann sich auf den knappen Vorsprung von einer Stimme – 90 von 179 Sitzen – im Folketing stützen. Seit dem Zweiten Weltkrieg konnten sich erst zwei Ministerpräsidenten auf eine Mandatsmehrheit stützen, zuletzt vor gut zwanzig Jahren.

Jenseits der Arithmetik könnte es sich allerdings bald als problematisch erweisen, daß Rasmussens Sozialdemokratische Partei übermächtig ist. Sie stellt allein 71 der 90 Mandate in der Koalition. Die kleinen Regierungspartner müssen also um ihrer eigenen Profilierung willen versuchen, möglichst eigenständige Rollen in der Koalition zu demonstrieren.

Bei den Sozialdemokraten war Rasmussens Entscheidung gegen eine mögliche Linkskoalition mit der Sozialistischen Volkspartei deshalb nicht unumstritten: Auch wenn diese rechnerisch nur auf 86 Mandate gekommen wäre, wurde dieser Alternative mancherorts eine höhere Überlebenschance eingeräumt: Die Opposition zu einer solcher Linkskoalition wäre zu zerstritten gewesen, sich auf eine Alternative zu Rasmussen zu einigen. Nach der jetzigen Entscheidung für eine Mitte-Links-Koalition sitzen neben den Parteien der bisherigen Regierung Schlüter, den Konservativen und der rechtsliberalen Venstre auch die rechtspopulistische Fortschrittspartei und die Sozialistische Volkspartei in der Opposition.

Letztere machte deutlich, daß sie zwar vermutlich bei der Wahl zum Ministerpräsidenten Rasmussen die Stimme verweigern werde, sich ansonsten aber vorstellen könne, die Regierungspolitik von Fall zu Fall zu unterstützen. Ihr Vorsitzender Holger K. Nielsen: „Wir können nach zehn Jahren konservativer Regierung der ersten sozialdemokratisch geführten Regierung ja nicht gleich Knüppel zwischen die Beine werfen.“

Bevor Rasmussens Regierung stand, war von den bisherigen Regierungsparteien mit allen Mitteln versucht worden, eine sozialdemokratisch geführte Regierung zu verhindern. Vor allem der scheidende Außenminister Uffe Ellemann-Jensen, der sich gerade auf ein halbes Jahr Repräsentantenschaft an der Spitze der EG eingestellt hatte, hatte sich hierbei hervorgetan. Er bot der Radikalen Venstre, dem Zünglein an der Waage für jede Regierung, jeden gewünschten Posten in einer neuen Regierungskoalition an – außer seinem eigenen.

Was die Europapolitik angeht – hier wird Dänemark aufgrund des EG-Vorsitzes und wegen der erneuten Maastricht-Volksabstimmung in den nächsten Monaten eine zentrale Rolle spielen –, werden von der neuen Regierung keine wesentlichen Änderungen der bisherigen dänischen Linie erwartet. Allgemein geht man davon aus, daß mit einer sozialdemokratisch geführten Regierung die Chancen für eine Ja-Mehrheit bei der im April oder Mai stattfindenden zweiten Maastricht-Volksabstimmung eher gewachsen sind.

Dies zum einen, weil die Reizfigur Ellemann-Jensen nicht mehr Außenminister ist – wie Meinungsumfragen ergaben, hatten viele DänInnen sich bei ihrer Nein-Entscheidung auch davon leiten lassen, es dem arroganten „Uffemann“ zu zeigen. Zum anderen aber auch, weil das Mehrheits- Nein des letzten Jahres vor allem dem Lager der sozialdemokratischen Wählerschaft geschuldet war. Damals hatten zwei Drittel der sozialdemokratischen WählerInnen gegen Maastricht gestimmt.

Die „Juni-Bewegung“, die auch bei der neuen Volksabstimmung ein Nein empfiehlt, sieht die Regierungsübernahme durch die Sozialdemokraten folgerichtig auch als schweres Handicap für einen für sie erfolgreichen Ausgang der nächsten Maastricht-Abstimmung an.

Bei den Mitte-Parteien, die jetzt den 49jährigen Rasmussen unterstützen, wird gegenüber der eigenen Anhängerschaft ebenfalls hervorgehoben, daß mit den Sozialdemokraten an der Spitze am sichersten mit einem Unions-Ja gerechnet werden könnte. R. Wolff