Die Freiheit der Andersdenkenden

■ Nach dem Brandanschlag: Diskussion im „Babylon“ Mitte

Berlin. „Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden.“ Mit diesem Satz der Kommunistin Rosa Luxemburg leitete Mario Worm, Regisseur des Amateurfilms „Keine Gewalt“, am Sonntag abend die Diskussionsveranstaltung über seinen Film im Programmkino Babylon Mitte ein. Der CDU-Politiker Heinrich Lummer, in diesem Fall der Andersdenkende, war von der Podiumsdiskussion ausgeladen worden, nachdem am vergangenen Mittwoch ein Brandanschlag auf das Kino verübt worden war. „Einige KommunistInnen“ hatten zuvor die Ausladung des in ihren Augen „rassistischen“ CDU-Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Innensenators gefordert und für den Fall, daß die Kinobetreiber ihrer Forderung nicht nachkämen, Gewalt angedroht. „Es wäre besser gewesen, wenn die sogenannten KommunistInnen auf das Podium gekommen wären und Lummer ihre Kritik ins Gesicht gesagt hätten“, fand Worm, „wie sehr sind wir schon eingeschüchtert, daß wir solcher Gewalt nachgeben?“ „Es ist nicht richtig, daß so etwas passiert, aber ansonsten finde ich gut, daß Herr Lummer nicht hier ist“, kommentierte die Brandenburger Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) den Vorfall vor dem ausverkauften Kinosaal. Lummer sei für sie der „Prototyp“ eines Menschen, mit dem sich nicht mehr reden lasse. Kathrin Kayser, eingeladen als Vertreterin der PDS, fand hingegen, jemand wie Lummer müsse „zum Argumentieren gezwungen werden“. Dabei war die Einladung Lummers sowieso ein Versehen gewesen. Worm hatte nämlich bei der CDU-Bundesministerin Angela Merkel angefragt, die er aber über die Berliner CDU-Zentrale nicht ausfindig machen konnte.

Auch ohne Lummer und ohne Bärbel Bohley vom Neuen Forum, die im letzten Moment abgesagt hatte, war die Veranstaltung konfus genug. Ähnlich wie in dem zuvor gezeigten Film, der von Hildebrandt kurzerhand als „dünne Suppe“ bezeichnet wurde, reihte sich in der Diskussion ein Klischee an das andere. Keines der gängigen Themen wurde ausgespart, alles blieb allgemein: Arbeitslosigkeit, Ausländerfeindlichkeit, Stasi, der Kampf ums Dasein und die Theorie eines von den Genossen selbst herbeigeführten Endes der DDR.

Was der Film, eine ostdeutsche Liebesgeschichte in der Zeit der Wende, tatsächlich auslöste, waren Erinnerungen an die Erlebnisse in der DDR und zur Zeit des Mauerfalls. Gab es in jedem Kollektiv mindestens einen Spitzel? Wer wußte schon, wer im Sommer 1989 als nächstes Republikflucht begeht? „Der Film war ein Versuch, die damaligen Träume festzuhalten“, fand einer der Diskussionsteilnehmer, „die Zeit der Träume ist wieder vorbei.“ Anders hatte es der Regisseur Mario Worm mit einem Zitat von Heinrich Heine ausgedrückt: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“ akk