Altes Recht gegen den neuen Müll

■ Torgelow hat abgestimmt: Keine Super-Müllkippe im Dorf

Berlin (dpa/taz) – Aus ganz Europa wären die Mülltransporter nach Torgelow gerollt – das haben die einen befürchtet, die anderen gehofft. Nun wird nichts daraus. In Mecklenburg-Vorpommern gilt noch immer die Kommunalverfassung aus den Zeiten des SED-Regimes. Zum erstenmal am Sonntag fand ein fast vergessener Paragraph Anwendung, der den Bürgern und Bürgerinnen das Recht auf Volksentscheide einräumt. Gar nicht zulässig sei das, schimpften gestern Verfassungsrechtler. Doch die knapp 10.000 Wahlberechtigten der Gemeinde an der polnischen Grenze taten, was ihnen bisher nur auf dem Papier erlaubt war. Siebzig Prozent gingen an die Wahlurne, und 85 Prozent von ihnen stimmten mit „Nein“.

Abgeschmettert war damit ein Projekt des Bürgermeisters Ralf Gottschalk. Der parteilose Lokalpolitiker, nebenbei auch Präses der Kirchen-Synode von Mecklenburg-Vorpommern, hatte sich mit zwei westdeutschen Ingenieurbüros zusammen eine Müllkippe der nächsten Generation ausgedacht. Unter dem schönen Namen „Industrie- und Recycling Unternehmen Torgelow“ (IRUT) wäre auf dem Gelände einer Wehrmachts-Munitionsfabrik ein veritables Kombinat für Gift und Schrott entstanden: Haus- und Sondermüll, Autoreifen und Hafenschlick sollten unschädlich gemacht und deponiert werden.

Ganz ausgereift war die Gigantomanie allerdings nicht, was die Altreifenverbrennung betrifft, so urteilte ein anderes Ingenieurbüro barsch: „Nicht genehmigungsfähig.“ Schon die ersten Nachrichten über solche Pläne führten zur Gründung einer Bürgerinitiative. Die für den Antrag einer Volksabstimung erforderlichen Unterschriften waren rasch zusammengetragen. Gottschalk versuchte, sein Projekt zu entschärfen, und verzichtete auf die Abteilung „Sondermüllverbrennung“. Der Rückzieher überzeugte nicht einmal die Befürworter, auch der Hinweis auf neue Arbeitsplätze fand immer weniger Anklang.

„Bedrückend“ findet Gottschalk nun die 15 Prozent der Jastimmen vom Sonntag, bedrückend vor allem, weil auch „Verwertungsindustrie ein Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung“ sei. Weniger fromm verlangt die Bürgerinitiative, die Gemeindeverwaltung solle endlich eine „Wirtschaftskonzeption“ vorlegen.

Die nächste Volksabstimmung im neuen Bundesland mit altem Recht steht in Löcknitz bevor. Dort möchte die Treuhandanstalt einem Investor den Abbau von Kalklagern erlauben: die erforderlichen Unterschriften für den Abstimmungskampf sind längst gesammelt. Niklaus Hablützel