Philosoph Leibowitz verzichtet auf Israelpreis

■ Regierung soll nicht „brüskiert“ werden

Jerusalem (epd) – Der jüdische Philosoph Jeshaja Leibowitz hat auf den diesjährigen Israelpreis verzichtet. Er wolle die Regierung und große Teile der israelischen Bevölkerung durch die Annahme des höchsten Preises seines Landes nicht weiter brüskieren, begründete der renommierte Philosoph am Sonntag abend gegenüber dem israelischen Fernsehen seine Entscheidung. Zuvor hatte es Ministerpräsident Jitzhak Rabin öffentlich abgelehnt, an der Preisverleihung am 26.April, dem israelischen Unabhängigkeitstag, teilzunehmen.

Leibowitz, der in Jerusalem lebt und in diesem Jahr 90 Jahre alt wird, ist wegen seiner scharfen Kritik an der israelischen Besatzungspolitik eine der umstrittensten Persönlichkeiten des Landes. Die Jury hatte ihm den Israelpreis „für sein Lebenswerk und sein spezielles Verdienst um Staat und Gesellschaft“ zugesprochen sowie sein „originelles Denken“ und seinen „Standpunkt als Kritiker der israelischen Gesellschaft“ gewürdigt. Die Jury wird vom Kultur- und Erziehungsministerium eingesetzt und bestand in diesem Jahr aus zwei Professoren sowie dem Chef des Strategischen Instituts der Universität Tel Aviv.

Leibowitz wurde 1903 in Riga geboren, studierte in Berlin Chemie und Medizin und promovierte mehrfach. Den Doktor der Medizin erhielt er als einer der letzten Juden in Deutschland 1934, bevor das Naziregime dies unmöglich machte. Ab 1935 lehrte Leibowitz an der Hebräischen Universität Jerusalem Chemie, Medizin, Psychologie und ab 1973 auch Philosophie. Er veröffentlichte zahlreiche grundlegende Werke der Naturwissenschaften und der Philosophie. Nur weniges davon erschien in deutscher Sprache, darunter 1990 sein Spätwerk über politische und religiöse Ansichten unter dem Titel „Gespräche über Gott und die Welt“. Seite 9