■ Dokumentation: Auszüge aus der Rede von VEBA-Chef Klaus Piltz auf der Wintertagung des „Deutschen Atomforum“
: Bausteine eines Energie-Konsenses

Es ist zweckmäßig, das Thema in zwei getrennte Komplexe zu teilen, die auch inhaltlich möglichst getrennt zu behandeln sind:

–Wie behandeln wir das bestehende Kernenergie-Engagement einschließlich der noch offenen Entsorgungsfragen?

–Wie gestalten wir die Option, auch in Zukunft die Kernenergie zur Deckung des Energiebedarfes einzusetzen?

Bausteine zum bestehenden Kernenergie-Engagement

1. Baustein

Was den Betrieb der vorhandenen Kernkraftwerke angeht, so könnte der Konsens-Baustein etwa folgenden Inhalt haben:

–Akzeptanz, daß auf absehbare Zeit Basis der Stromversorgung die Stromerzeugung in großen Kraftwerkseinheiten ist (...)

–Eine Verlagerung auf verstärkten Stromimport ist volkswirtschaftlich nicht wünschenswert.

–Die vorhandenen Kernkraftwerke werden, geprüfte Sicherheit ständig vorausgesetzt, bis zum Ende ihrer technisch/wirtschaftlichen Lebensdauer genutzt.

–Um planmäßig Ersatzkapazitäten errichten zu können, wird eine Regelnutzungsdauer festgelegt, die auch als Netto-Nutzungsdauer, also nach Abzug von Revisions- und Stillstandszeiten definiert werden könnte.

2.Baustein

Ein weiterer Baustein könnte ein Konsens hinsichtlich der Behandlung der Wiederaufarbeitung sein. Diese ist heute der gebotene Entsorgungsweg der Kernkraftwerke, wobei das anfallende Plutonium in Kernbrennstoffen, nämlich den sogenannten MOX-Elementen, wiederverwendet und damit verbraucht wird. Die Kernenergie- Kritiker verlangen eine Beendigung der sogenannten „Plutonium-Wirtschaft“. Unbestreitbar ist, daß durch die Wiederaufarbeitung inzwischen größere Mengen Plutonium zurückgewonnen wurden und auf Basis der international vereinbarten sogenannten Wiederaufarbeitungs-Altverträge bis 2002 insgesamt rund 30 Tonnen spaltbares Plutonium rückgewonnen werden. Unbestreitbar ist auch, daß heute die Wiederverwendung des Plutoniums als Brennstoff die einzige Möglichkeit ist, es zu vernichten, und Endlagerung von Plutonium im Sinne von Mißbrauchsschutz und Wirtschaftlichkeit keine befriedigende Lösung darstellt.

Der Weg der Entsorgung über die Wiederaufarbeitung ist nicht zwingend, zumal das ursprüngliche Konzept des nachfolgenden Schnellen Brüters derzeit jedenfalls aufgegeben ist. Ein Konsens könnte daher zu diesem Komplex umfassen:

–Auslaufen der Wiederaufarbeitung bei Erfüllung der international fest abgeschlossenen Wiederaufarbeitungsmengen.

–Verwendung des zurückgewonnenen Plutoniums in den vorab festgelegten Mengen als Brennstoff in den sogenannten Mischoxid-Elementen.

–Dies würde eine Beschäftigung der vor der Fertigstellung stehenden MOX-Brennelement-Fabrik in Hanau über gut zehn Jahre bedeuten. Bei zügiger Fertigstellung dieser Anlage könnte die Betriebsgenehmigung für diese im voraus auf diese genau definierte Menge Plutonium begrenzt werden.

3.Baustein

Ein dritter Baustein könnte sich auf die Endlagerung von schwach- und mittelaktiven Abfällen erstrecken. (...)

–Wiederinbetriebnahme des Endlagers Morsleben.

–Inbetriebnahme des Endlagers Konrad.

–Begrenzung der Einlagerungsgenehmigung auf Abfälle aus bestehenden Kernkraftwerken.

4.Baustein

Ein weiterer Punkt wäre das Endlager für hochradioaktive Abfälle in Gorleben. Auch von den Gruppierungen, die die Kernenergie- Nutzung beenden wollen, wird die Notwendigkeit eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle anerkannt. Allerdings stellt sich durch die Konzentration der Endlager auf das Land Niedersachsen dort die Frage nach der politischen Akzeptanz und der Durchsetzbarkeit vor Ort.

Deshalb:

–Suche nach einem Alternativ- Standort zu Gorleben auch international, bei

–gleichzeitiger Schaffung ausreichender Zwischenlager-Kapazitäten, soweit nicht bereits vorhanden. In diesem Zusammenhang müßte allerdings die bisher in der Kernenergie-Politik festgelegte Bedingung, daß die Endlager- Frage national zu lösen ist, überprüft werden.

(...)

Offenhalten der Kernenergie-Option

Damit komme ich zu der zweiten Gruppe der Konsens-Bausteine, die sich mit dem Offenhalten der Option zukünftiger neuer Kernenergie-Nutzung befassen müssen.

5.Baustein

Folgende Bausteine ohne Anspruch auf Vollständigkeit erscheinen zweckmäßig: Zunächst der Konsens-Baustein Energiesparen, wobei hier sich die Erkenntnis durchsetzen sollte, daß die Sparpotentiale vor allem in den Bereichen Wärmeverbrauch und Verkehr liegen. (...)

6.Baustein

Ein weiterer Baustein für den Konsens könnte ein verstärktes Programm sein, Potentiale regenerativer Energie-Nutzung sowie auch dezentraler sogenannter Kraft-Wärme-Kopplung auszuschöpfen bzw. sich über das tatsächlich Erreichbare Klarheit zu verschaffen. Hier kann an bestehende Programme angeknüpft und gemeinsam ein realistischer Rahmen und auch eine realistische Zeitperspektive festgelegt werden.

7.Baustein

Was den Baustein „Option für die weitere Nutzung der Kernenergie“ angeht, so erscheint es heute wichtig, einen Konsens darüber zu erzielen, daß

–solange international weitere Nutzung und Fortentwicklung der Kerntechnik erfolgt – und es sieht so aus, daß nicht nur in Frankreich, Japan und den USA, sondern zum Beispiel auch in Rußland langfristig auf die Kernenergie gesetzt wird und neue Kraftwerke geplant sind –, die Politik Wert darauf legen sollte, daß diese Kernenergie- Nutzung auch von dem hohen Sicherheitsstandard der deutschen Kerntechnik beeinflußt wird. (...)

–Die Option offenhalten heißt aber auch, daß in einem Konsens nicht nur akzeptiert wird, daß die Kernkraftwerkstechnik in Richtung auf einen noch höheren Sicherheitsstandard weiterentwickelt wird, sondern daß die Erwartung der Politik an die kraftwerksbauende Industrie geäußert wird, Sicherheitsstandards weiterzuentwickeln. Möglicherweise nicht sogleich, sondern nach einer Phase gemeinsamer Vorklärung sollte auch ein Konsens angestrebt werden, welchen Anforderungen die nächste Kernkraftwerksgeneration genügen müßte. Dabei könnten die Aufforderungen der Politik sich sowohl auf die Fortentwicklung bestehender Reaktorlinien erstrecken als auch auf alternative Linien wie die des HTR. Ich meine, es liegt in der Verantwortung aller, die sich unvoreingenommen mit den großen Unsicherheiten der Zukunftsbewertung auf dem Energiesektor befassen, die Weiterentwicklung auch der Nukleartechnologie zu unterstützen.