El Salvador als Beispiel für Guatemala

Nach dreißig Jahren Bürgerkrieg kommt der Friedensprozeß in Gang/ Staatschef Serrano möchte vor der Tagung der UN-Menschenrechtskommission sein Image verbessern  ■ Aus Guatemala-Stadt Ralf Leonhard

Wird der nicaraguanische Sandinistenchef Daniel Ortega die Armee Guatemalas von Menschenrechtsverbrechern säubern? Diesen Vorschlag unterbreitete der Dachverband der guatemaltekischen Guerillaorganisationen URNG in seiner Antwort auf das jüngste Angebot von Präsident Jorge Serrano Elias, den letzten und gleichzeitig ältesten bewaffneten Konflikt Zentralamerikas nun auch auf dem Verhandlungsweg zu lösen. Seit 1954 sind diesem Krieg mindestens 30.000 Menschen zum Opfer gefallen; mehrere hunderttausend wurden zu Flüchtlingen, von denen allein in Mexiko über 400.000 leben. Zwar hat die Armee inzwischen die vom 20. Januar datierte Erklärung des URNG-Oberkommandos als absurd zurückgewiesen, doch sind die grundlegenden Hindernisse für eine Wiederaufnahme des im August abgebrochenen Dialogs beseitigt.

Präsident Serrano hatte anläßlich seines zweiten Amtsjubiläums am 14. Januar eine überraschende Friedensinitiative lanciert. Das neue Element seines Vorschlags: die Regierung ist bereit, eine internationale Überwachung eines Abkommens und der Menschenrechtssituation zu akzeptieren – unter der Bedingung, daß die URNG binnen 90 Tagen einen Waffenstillstand unterzeichnet. Wenn die Feindseligkeiten eingestellt sind, so die Argumentation der Regierung, würden auch die Menschenrechtsverletzungen abnehmen. UNO-Generalsekretär Butros Butros Ghali lud den Staatschef darauf nach New York ein, um den Vorschlag vor der Generalversammlung zu präzisieren.

Die Antwort der Guerilla ließ nicht lange auf sich warten. Zwar wies sie das Ultimatum zurück, doch erklärte sie sich bereit, drei Monate lang die in einer früheren Gesprächsrunde festgelegten Themen zu diskutieren. Sollte es in dieser Zeit zu keiner Einigung kommen, würde sie trotzdem einen beiderseitigen Waffenstillstand unterzeichnen. Die Vereinten Nationen sollten allerdings nicht nur bei der Umsetzung des Abkommens eine aktive Rolle spielen, sondern — wie im benachbarten El Salvador — schon während des Verhandlungsprozesses.

Auch die anderen URNG vorgeschlagenen Punkte lehnen sich eng an das salvadorianische Beispiel an. Die Guerilla verlangt die Auflösung der von der Armee kontrollierten sogenannten Selbstverteidigungspatrouillen in den indianischen Dörfern, die Halbierung der Truppenstärke der Armee und die Säuberung der Streitkräfte durch eine Ad-hoc-Kommission. Diese Kommission, die die Vergangenheit aller Offiziere auf grobe Menschenrechtsverletzungen zu prüfen hätte, soll sich aus den überlebenden Unterzeichnern des Esquipulas-Friedensplans zusammensetzen: die ehemaligen Präsidenten von Guatemala, Vinicio Cerezo; Costa Rica, Oscar Arias; Honduras, Jose Azcona und eben auch Daniel Ortega aus Nicaragua.

„Ein lächerlicher Vorschlag“, meinte Armeesprecher Jose Alberto Yon Rivera in einer ersten Stellungnahme. „Die Aufständischen wollen damit die Aufmerksamkeit vom Vorschlag der Regierung ablenken.“ Und Serrano stellte klar, daß nach der geltenden Gesetzgebung allein der Präsident als Oberkommandierender und der Generalstab über die Größe der Armee und Disziplinarmaßnahmen zu befinden hätten.

Die guatemaltekische Armee, die ihre Politik der verbrannten Erde mit dem Sieg über die kommunistische Subversion rechtfertigt, weist jeden Vergleich mit El Salvador, wo eine tiefgreifende Säuberung der Streitkräfte bis in die Generalsränge ansteht, schroff zurück. Die vier in der URNG zusammengeschlossenen Organisationen kontrollieren zwar keine nennenswerten Teile des Territoriums, machen aber immer wieder durch Attacken auf Militärtransporte und Sabotageakte auf sich aufmerksam.

Der Dialog, der über der Frage der Menschenrechte ins Stocken geriet, wird trotz der Diskrepanzen zwischen den Kriegsgegnern demnächst wieder aufgenommen, glauben Diplomaten in Guatemala- Stadt. Denn Serrano, der innenpolitisch nicht viel anzubieten hat, braucht Erfolge. Außerdem möchte er, ehe am 1. Februar die jährliche Sitzung der UNO-Menschenrechtskommission in Genf beginnt, Flexibilität zeigen. Sollte die UNO tatsächlich auch bei diesem Friedensprozeß eine aktivere Rolle übernehmen, wären beide Seiten zu größerer Ernsthaftigkeit gezwungen. Die Chancen stehen nicht schlecht. Denn die Parteien, auf deren Unterstützung Serrano im Parlament angewiesen ist, finden den Vorschlag der URNG zumindest prüfenswert.