Zwanzig Jahre in 365 Tagen

■ Damals „Jugendclub“ — heute „Junges Theater“: endlich eigene Räume in der Friesenstraße

Ohne den „Jugendclub“ wäre der Brauhauskeller im Goethetheater vielleicht immer noch das vollgemüllte, angeschimmelte Loch, das er vor 4 Jahren war, und das Moks-Theater wäre immer noch heimatlos. Wie schön, daß die ehemaligen Jugendclubler nun endlich selbst eigene Räume in der Friesenstraße gefunden haben.

Die schauspielliebenden SchülerInnen und Azubis hatten seit 1986 unter der Leitung des damaligen Indendanten Günter Krämer mit professioneller Anleitung eigene Produktionen auf die Goethebühne gebracht. Drei Jahre später führten sie den Jugendclub in Eigenregie fort und suchten nun das ganze Goethetheater nach einem verfügbaren Probenraum ab.

Hinter einer der geöffneten Türen entdeckten sie den ungenutzten Brauhauskeller, und probten dort ihr Stück „Bloody English Garden“, ohne Heizung und bei Neonlicht. Die Premiere, durchaus anerkannt und mit Beifall bedacht, fand 1990 im Concordia statt, das Stück hatte zahlreiche Aufführungen und in der jungen Gruppe formte sich der Gedanke, ein unabhängiges Theater aufzumachen.

Diesen Freitag nun lädt das „Junge Theater“ zu einem Fest in seine neu eröffneten Räume in der Friesenstraße ein, um Haupt- und Probebühne besichtigen zu lassen, wo schon ab Februar ein einigermaßen volles Programm stattfinden soll (noch wird rasend gehandwerkt, vergl. Foto). Fünfzehn SchauspielerInnen und Regisseure aus dem ehemaligen Jugendclub und Neulinge (mit anderweitiger Theatererfahrung, die vom Living Theatre bis Marienhof reichen) arbeiten als feste Freie Theatergruppe zusammen und haben sich im Sommer 1992 mit einer Vereinsgründung selbständig gemacht.

Das Geld für die Anmietung und Renovierung eines ehemaligen Betriebes in der Friesenstraße haben sie durch ihre eigenen Produktionen in fast allen Spielstätten Bremens eingespielt (“Der kleine Prinz von Dänemark“ in der Schauburg ge

Foto: Jörg Oberheide

hörte ebenso dazu wie das „Kaufhaustheater“ in den Schaufenstern von Horten.) Und die laufenden Betriebskosten samt, möglichst, einem Minimalsalär für das Ensemble will das „Junge Theater“ aus eigener Kraft aufbringen. Die Chancen

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dazu scheinen günstig. Nicht nur waren die BremerInnen bisher immer neugierig, was aus der Ecke eines so jungen Theaters kommt — das „Junge Theater“ plant neben Gastspielen auch Schultheaterproduktionen, für die bisher ein Raum in Bremen

fehlt.

„Jetzt fängt für uns die eigentliche Arbeit an“, sagt Regisseur Carsten Werner (25), der schon beim ersten Jugendclub-Stück, Fassbinders Katzelmacher, Regieassistenz gemacht hat. „Wir hatten doch immer einen Sympathiebonus. Das soll und wird vorbei sein, wenn wir jetzt quasi- professionell arbeiten“.

Außerdem vorbei ist die strikt basisdemokratische Binnenstruktur des Ensembles. „Wozu die 68er zwanzig Jahre brauchten, das haben wir in einem Jahr eingesehen“, so Carsten. „Wir haben zwar keinen Intendanten gewählt, aber — es ist klar, daß ich als Regisseur ein Stück nur mit den Leuten inszeniere, mit denen ich mir die Arbeit vorstellen kann. Es können einfach nicht prinzipiell alle wichtige Rollen spielen. Genauso allerdings würde niemals einer der Schauspieler eine aufgedrängte Rolle spielen müssen, wie das in einem Stadttheater der Fall ist.“

Im Februar wird das Aids- Liebe-Stück Beirut wieder aufgeführt, zwei Gastproduktionen sind eingeladen und Michael Pundt spielt Die Müde von Canetti. Am 24.2 findet die Premiere Schönheit irritiert — Die Schöne und das Tier statt. „Da spielt das ganze Ensemble mit — allerdings wohl nur in dieser einen Inszenierung, denn das ist viel zu unpragmatisch.“ — Aber vielleicht gutes Theater? Seien wir aufmerksam. Cornelia Kurth