■ Steigt die Atomlobby aus der „Ausstiegsdebatte“ aus?
: Konsens oder Kapitulation

Mit dankenswerter Klarheit haben die Anhänger der Atomenergie demonstriert, wie sie sich den „energiepolitischen Konsens“ vorstellen: Die profitablen Altmeiler werden bis zur Schrottreife weiterbetrieben, neue Zwischenlager errichtet, die Siemens-Plutoniumfabrik in Hanau planmäßig in Betrieb genommen, das Endlager in Morsleben und der „Schacht Konrad“ geöffnet, der Salzstock Gorleben weiter erkundet und neue Druckwasserreaktoren der Dinosaurier-Klasse für den Einsatz nach der Jahrtausendwende mit Hochdruck entwickelt. Der Schrecken der Ausstiegsdebatte, Ende vergangenen Jahres ausgelöst durch die Unlust der westdeutschen Stromkonzerne, sich den Scherereien mit der Nukleartechnik länger auszusetzen, hat unter den Freunden des Atoms inzwischen erwartungsfroher Vorfreude Platz gemacht. Man glaubt fest an den Ausstieg der Sozialdemokraten aus ihren Nürnberger Ausstiegsbeschlüssen und die Rückkehr zum Status quo ante. Gerhard Schröder soll in den 90ern den Helmut Schmidt der 70er machen. Die Nuklear-Ideologen sprechen von Konsens, sie meinen Kapitulation.

Dabei argumentiert Klaus Piltz, der Pragmatiker an der VEBA-Spitze, um Klassen klüger als jene, die etwa im Deutschen Atomforum seit Jahr und Tag bis an den Rand der Lächerlichkeit die immergleichen Durchhalteparolen verbreiten. Der Stromboß ist überzeugt, daß die Umweltschützer unter der steigenden globalen Fieberkurve zunehmend ins Schwitzen geraten, insbesondere dann, wenn als Alternative zu nuklearen Großmeilern ausschließlich fossile Kohlendioxid-Schleudern im Angebot sind. Er bietet den Atomkritikern großmütig an, ihre alternativen Energiekonzepte auszuprobieren, in der festen Erwartung, daß sie scheitern. Und er weiß, daß er recht behalten wird, solange in Bonn eine Regierung das Sagen hat, die konsequent die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen der dreißiger Jahre konserviert.

Ist die auch unter AKW-Gegnern vielfach mit Hoffnungen begleitete „neue Ausstiegsdebatte“ zu Ende, bevor sie richtig in Gang kommt? Wohl kaum. Klaus Piltz wußte, daß sein Bonner Auditorium den Kern einer kleinen radikalen Minderheit bildet. Warum also ohne Not ausgerechnet an diesem Ort Kompromißbereitschaft signalisieren, die üblicherweise nicht an den Anfang, sondern ans Ende von Verhandlungen gehört? Immerhin: Nach dem Piltz- Auftritt wissen die Sozialdemokraten präziser als zuvor, worauf sie sich einlassen. Der Atompoker muß sein. Und er fängt erst an. Gerd Rosenkranz