Voscherau appelliert an Voscherau

■ Stiftung für politisch Verfolgte fordert vom Senat Abschiebestopp für Kurden / Im Vorstand: Dohnanyi und Voscherau

/ Im Vorstand: Dohnanyi und Voscherau

Menschenauflauf im Zimmer 146 der Ausländerbehörde. In der Menge: zwei junge Kurden, die sich um eine sechsmonatige Aufenthaltsgestattung bemühen. Die beiden wurden gestern von 30 Mitgliedern des Flüchtlingsrats in die Amsinckstraße begleitet, der gegen die fortgesetzte Abschiebung von türkischen Kurden nach Istanbul protestiert. Völlig unerwartete Rückendeckung bekamen die UnterstützerInnen nun durch einen offenen Brief. Darin fordert die „Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte“ den Senat auf, sich „aktiv für einen Abschiebestopp für Kurden“ einzusetzen. Unterschrift: Klaus von Dohnanyi. Stiftungsvorsitzender: Henning Voscherau.

Nur zwei aus Hunderten von Fällen: der 19jährige Mahrsum A. und der 21jährige Salman Y. Seit Innensenator Werner Hackmann im August 1992 den bundesweiten Abschiebestopp für türkische Kurden aufgehoben hat — die Bundesregierung hatte den Kurden eine Frist bis Ende September gestattet —, müssen auch sie ständig mit einer Ausweisung rechnen. Noch hat das zuständige Bundesamt in Zirndorf ihre Abschiebung nicht entschieden, noch wird ihre Aufenthaltsgenehmigung in Hamburg alle vier Wochen abgesegnet. Doch die beiden Kurden bewegen sich auf dünnem Eis: Ein vom Bundesamt erteilter Zwischenbescheid an die Hamburger Ausländerbehörde kann sie von einem auf den anderen Tag in Abschiebehaft befördern. Eine Vorwarnung erhalten weder die Betroffenen noch ihre Anwälte.

Nicht nur diese unmenschliche Verwaltungspraxis veranlaßte den Flüchtlingsrat (ein Bündnis von Flüchtlingsorganisationen) zu dem Besuch in der Ausländerbehörde. Denn anders als andere SPD-regierte Länder wie Bremen, Hessen und Niedersachsen, die derzeit wegen der Verfolgung der kurdischen Bevölkerung durch das Militär die Ausweisung gestoppt haben, schiebt Hamburg weiterhin rigide ab. In den vergangenen fünf Monaten mehr als 200 Menschen, wie die GAL-Abgeordnete Anna Bruns vermutet. Begründung aus der Innenbehörde: Die Kurden würden nach Istanbul ausgeflogen, dort seien sie nicht gefährdet.

Der Vorstand der „Hamburger Stiftung für Verfolgte“ sieht das jedoch anders. Kurden liefen bei einer Abschiebung generell Gefahr, von den türkischen Sicherheitskräften verfolgt zu werden, teilte Klaus von Dohnanyi der GAL-Fraktions-

1vorsitzenden Krista Sager in seinem Brief mit. Im Westteil des Landes ergehe es ihnen nicht besser, dort seien sie den Pogromen aus der türkischen Bevölkerung ausgesetzt.

1Eine inländische Fluchtalternative, auf die der Senat immer bestanden hatte, gibt es für den Stiftungsvorstand also nicht. Konsequenz: Der Senat solle sich den Bemühungen

1Hessens und Niedersachsens anschließen und den Abschiebestopp durchsetzen. Mit Spannung wird die Reaktion von Bürgermeister Voscherau erwartet. Sannah Koch