Freisetzungen sind nicht rückholbar

■ Barbara Weber, promovierte Biologin und Koordinatorin des Bereichs Gentechnik beim Ökoinstitut

In den letzten beiden Tagen wurden in Northeim die EinwenderInnen gegen Freisetzungsversuche genmanipulierter Rüben und Kartoffeln gehört.

taz: Glauben Sie, daß das Bundesgesundheitsamt die Freisetzungsversuche verbietet?

Weber: In diesem Punkt bin ich eine naive Optimisten. Ich denke, sie müssen das Experiment stoppen. Andererseits bekomme ich von allen Seiten gesagt, daß es das nicht tun wird.

Worin besteht nach Ihrer Ansicht denn die größte Gefahr bei diesen Versuchen?

Der Zuckerrübenversuch zum Beispiel ist nicht rückholbar. Die Rüben können verunkrauten oder aber auch ihren Samen an verwandte Pflanzen übertragen. Dadurch bleiben nach dem Experiment Bestandteile der Pflanzen auf dem Feld zurück. Rüben sind Pflanzen, die sehr viele Kreuzungspartner haben, beispielsweise Mangold oder Futterrüben.

Gibt es denn auch Erfahrungen mit Veränderungen bei den dortigen Bodenbaktieren?

Es gibt eine Menge wissenschaftlicher Unteruchungen, nach denen pflanzliche Erbinformationen aufgenommen werden können von Boden-Mikroorganismen. Bei gentechnisch veränderten Erbinformationen stammen viele der Geninformationen aus Mikroorganismen. Wenn nun diese klonierte Fremd-DNA in Mikroorganismen gelangt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie auch aktiv wird, sehr viel größer.

Besteht die Gefahr von „Killer- Pflanzen“?

Nein, daß ist das Glatteis, auf das uns die Gegenseite führen möchte. Man kann nicht sagen, was passieren kann. Man kann höchstens sagen, daß die Antibiotika-Resistenz-Gene, die in diesen Pflanzen vorhanden sind, auf Mikroorganismen übergehen. Und dann kann man ein Gedankenexperiment machen: Man hat große Probleme mit der Verwendung von Antibiotika bekommen im klinischen Bereich – wegen der daraus folgenden Resistenz der Krankheitserreger. Wenn man nun die Häufigkeit von Antibiotika-Resistenz-Genen im Boden maßlos erhöht, kann es Auswirkungen auf die Populationen von antibiotikaresistenten Krankheitserregern haben. Man kann aber nicht prophezeihen, daß dies so kommen wird. In die Rüben wurde ein Virusgen eingebaut. Ich sehe die Gefahr, daß neue Pflanzenviren und damit neue Pflanzenkrankheiten entstehen könnten.

In ihrem Statement haben Sie darauf hingewiesen, daß diese Gen-Experimente Versuche sind, an Symptomen herumzudoktern.

Die Rizomania-Krankheit, gegen die die Zuckerrüben resistent werden sollen, tritt auf Feldern mit intensivem Anbau auf. Oder die Böden sind gar nicht dazu geeignet. Wenn man Zuckerrüben in geringerer Menge anbauen würde, hätte man das Problem mit dieser Krankheit gar nicht. Die Sache ist die, daß dieser Pilz, der der Krankheitsüberträger ist, sehr langlebig ist. Man müßte also Anbaupausen von 20 Jahren machen – das ist aber für die Bauern nicht akzeptabel. Jedenfalls, wenn man soviel Zucker produziert wie hierzulande. Und die Bauern werden durch Subventionen zu einer engen Fruchtfolge angeregt.

Und außerdem ist gar nicht sicher, ob die Krankheit, gegen die man die Rüben resistent machen will, überhaupt verursacht ist durch das Virus, gegen die man die Pflanzen resistent machen will.

In die manipulierten Rüben wurde von den Genforschern auch eine Resistenz gegen das Pestizid Basta eingebaut. Was bedeutet das?

Hoechst stellt Basta her und ist mit 12,5 Prozent an der KWS, der Antragstellerfirma beteiligt. Die KWS aber behauptet, die Bastaresistenz sei nur zufällig in die Pflanzen geraten. Das kann sogar sein, weil die KWS die Lizenz für die Genkombination von einer belgischen Firma hat, die in Konkurrenz zu Hoechst arbeitet. Aber die Genmanipulation ist eben drin – was immer die Firma damit beabsichtigt. Interview: Annette Jensen