■ Aus polnischer Sicht
: Schiffe versenken

Wie ein Spiel sieht es aus – jeden Tag versinkt auf dem Spielbrett der Weltozeane ein Tanker, als würden Papierschiffchen vom Spielfeld gezogen. Ein ähnliches Spiel treibt derzeit die rechte, nationale Opposition mit Lech Walesa und seiner Umgebung. Das Geschmacklose daran ist, daß die heutigen Angreifer die engsten Verbündeten Walesas waren, bis sie seine Gunst verloren: Jaroslaw Kaczynski, der ehemalige Staatsminister Walesas, versucht zu beweisen, daß sein Nachfolger, Mieczyslaw Wachowski, ein Mitarbeiter des kommunistischen Staatssicherheitsdienstes war. So tauchte jetzt ein merkwürdiges Foto aus dem Jahr 1975 auf, das angeblich Wachowski inmitten anderer Geheimpolizisten in einem Trainingslager der polnischen Staatssicherheit zeigt. Wachowski bestreitet, die Person auf dem Foto zu sein. Er hat einen „negativen“ Zeugen, der sich selbst auf dem Foto wiedererkennt und den angeblichen Wachowski als eine dritte Person identifiziert hat.

Wie Walesas Gegner – darunter auch der ehemalige Verteidigungsminister Parys, der einen Auftrag von Walesa bekommen haben will, Atombomben für die polnische Armee in Rußland zu kaufen – behaupten, sind auch alle übrigen Staatsminister und selbst der Pater Cybula Geheimdienstler gewesen. Es ist offensichtlich, daß man den schlechten Ruf Walesas in der polnischen Gesellschaft dazu benutzen will, ihn in einer vorgezogenen Präsidentschaftswahl abzuwählen.

Angesichts der Mittel, derer sich die Angreifer bedienen, entsteht allerdings eine Hysterie, die sehr stark an die Situation unmittelbar nach der Wahl des ersten Präsidenten der zweiten polnischen Republik, Gabriel Narutowicz, 1922 erinnert. Narutowicz wurde in einer nationalistisch-chauvinistischen Kampagne als von Juden und anderen nationalen Minderheiten gewählter Präsident beschimpft. Diese Hatz gipfelte im Mord an dem Präsidenten, der in Warschau von einem fanatischen Nationalisten erschossen wurde. Der Vergleich zwischen den beiden Kampagnen wird in Polen von vielen gezogen, es bleibt aber zu hoffen, daß das Schiff der dritten polnischen Republik nicht versenkt wird. Piotr Olszowka