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Sado-masochistische Phantasien

■ betr.: "Haider ersäuft im Lichtermeer", Kommentar von Günther Nenning, taz vom 25.1.93

betr.: „Haider ersäuft im Lichtermeer“, Kommentar von Günther Nenning, taz vom 25.1.93

Ihr publiziert die perfide gesamtdeutsche Propaganda von Günther Nenning für Jörg Haider und laßt Euch und Eure Leser von Haiders Wahlkämpfer Nenning als „werte Mitlinke“ anreden. Das ist Scheiße.

Euer Kommentator irrt aber auch, wenn er zu glauben vorgibt, Haider ersaufe „zumindest provisorisch im Lichtermeer“ und habe sich mit seinem gesunden Volksempfindungsbegehren „verklettert“. Ich prophezeie Haider gerade mit diesem einen rauschenden Erfolg, weil die Österreicher mehrheitlich ebenso wie die hiesige Justiz nicht imstande oder nicht willens sind, in Haiders Propaganda für SS und Wehrmacht – die nach seinen Worten „für Frieden und Freiheit in Europa gekämpft“ hätten – die vom Verbotsgesetz unter Strafe gestellte nationalsozialistische Wiederbetätigung zu erkennen. Oder sie wollen den Nazi, ganz wie er ist.

Ihr laßt Nennings sado-masochistischer Phantasie freien Auslauf: Als „Stachel im welken Fleisch der Dame Koallition“ begrüßt er den Haider, dem er bei seiner Wahlveranstaltung in Graz auch zum Auftakt seines Anti- Ausländer-Volksbegehrens assistiert hat und dem er versprach, beim Lichtermeer in Wien eine Fackel für ihn mitzutragen. Und masochistischerweise druckt Ihr auch, wie er Euch selbst verhöhnt:

„Bedauernswertes Deutschland, Du hast keinen Jörg Haider!“, der „stets das Gute schafft“, wie Nenning ihn Euch anpreist: „Die Deutschen haben Rechtsextremismus, die Österreicher haben Haider“ – also gleichfalls Rechtsextremismus, aber gegenüber „deutschen Zuständen des verworrenen Wimmelns von Rechtsradikalismus, Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus“ haben wir in Österreich bereits eine fortschrittlich straff formierte parlamentarische Führerpartei.

Euer Nenning ist der Mann, der dem Jörg Haider die Idee gab von einem „Menschenrecht auf Heimat“, das heißt unter sich zu bleiben, wenn man keine Fremden haben will. In Bad Cannstadt schwärtme alsbald Jörg Haider aggressiv von einem „Menschenrecht auf Heimat, das zuerst für diejenigen gelten muß, die schon eine haben“. Die beiden Herren verstehen sich auch sonst vortrefflich: Bekennt der Günther, er habe „schon immer gewußt, daß ich viel nationaler bin als du, Jörg“, lacht der Jörg „I freu' mich“, und lädt den Günter, dem Bundesparteitag der FPÖ als Gastredner die Stimmung mitzuheizen ein.

Von allen fremden Elementen säubern sollen wieder einmal die vereinigten deutsch-österreichischen Nazi alles „welke Fleisch der Dame“ Europa mit Stachel(draht) und unvermeidlich wohl in einem neuen Stahlbad. Der Weltkriegs- II-Freiwillige Nenning dient Euch Deutschen den Haider an als ein Glück, das Ihr entbehrt; und durch eine jeglicher Sachkritik entbehrende Verächtlichmachung der „morschen Politbühne“ fördert er die Herstellung pränazistischer, Weimarer Verhältnisse. Daran wirkt die taz (ganz wie die Zeit und wie der Spiegel) nun mit, indem sie unter dem Deckmantel von Kommentaren die Gelegenheit zu solcher Propaganda gibt.

Fast gönne ich es Euch, wenn Ihr den Haider als neuen Führer einer gesamteuropäisch-rechtsradikalen Partei bekommen werdet. Gerhard Oberschlick,

Wien/Österreich

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