Operation „Besen“ gegen illegale Immigranten

■ Die griechische Regierung plant Riesenrazzia/ Im Visier sind vor allem Albaner/ Sie werden für den Anstieg der Kriminalität verantwortlich gemacht

Berlin (taz) – Das Codewort für die Operation, die in den nächsten Tage anläuft, heißt „Besen“ – ihr Ziel ist die Reinigung Griechenlands. Herausgefegt werden sollen Ausländer – vor allem Albaner – die keine gültigen Papiere haben. Anders als mit einer landesweiten Razzia sei der Anstieg der Kriminalität nicht zu bekämpfen, begründete der Minister für innere Sicherheit Nikos Gelestathis am Mittwoch in Athen.

Wie viele Immigranten tatsächlich in Griechenland leben, weiß niemand genau. Das Außenministerium spricht von rund 600.000, was sechs Prozent der Bevölkerung Griechenlands entspricht; das Innenministerium geht von 350.000 bis 400.000 aus. Die bei weitem größte Gruppe kommt aus Albanien, gefolgt von Polen und Bulgaren. Da geschätzte zwei Drittel der Immigranten „illegal“ in Griechenland sind, werden sie von keiner Statistik erfaßt.

In unregelmäßigen Abständen hat sich in den vergangenen zwei Jahren ein Ritual wiederholt, das darin besteht, die „Illegalen“ als „bedrohlich“ zu bezeichnen, um sie dann auszuweisen. Zuletzt geschehen im Sommer 1992, mit über 22.000 ausgewiesenen Albanern. Zur Ankündigung der Operation „Besen“ legte der Minister Gelestathis diesmal gleich Zahlen über den Anstieg der Ausländerkriminalität vor. Danach wurden im vergangenen Jahr 18 Prozent mehr Morde und 128 Prozent mehr Vergewaltigungen verübt als zuvor. Bei Raubüberfällen soll die Steigerung sogar 150 Prozent betragen. Angeblich waren die Täter oder Drahtzieher in den meisten Fällen Albaner.

„In nordgriechischen Dörfern schlafen die Menschen mit Gewehren in Griffweite“, sagen Mitarbeiter der Athener Regierung. Die Ankunft bewaffneter Banden aus dem benachbarten Albanien habe das Klima verändert.

Jahrelang galten Albaniens Grenzen als die bestgesicherten des Balkans. Nur einer Handvoll Flüchtlinge gelang während des Kalten Krieges der Weg außer Landes. Zumeist flüchteten sie auf die nahegelegene griechische Insel Korfu. Seit dem Zusammenbruch des Regimes in Tirana kommen täglich Hunderte – oft Tausende Skipetaren über die Grenze nach Griechenland. Vor allem in Winter, wenn sich in dem ehemals sozialistischen Land Hunger mit Kälte paart, schnellen die Zahlen in die Höhe.

Obwohl der seit dem Zweiten Weltkrieg existierende Kriegszustand zwischen Albanien und Griechenland bis heute nicht aufgehoben ist, hat der konservative griechische Regierungschef Mitsotakis bereits zwei Besuche in Tirana gemacht. Sein Hauptanliegen: Er will Bedingungen schaffen, damit die griechische Minderheit, die Nord-Epiroten, in Albanien bleiben. Denn in Griechenland – so die offizielle Athener Meinung – gibt es keine Möglichkeit, sie zu versorgen. Aus diesem Grund beteiligt sich Athen am Aufbau von Schulen und Kirchen in Südalbanien und hat ein Konsulat eröffnet.

Unter den wenigen legal nach Griechenland eingereisten Albanern – im vergangenen Jahr waren es 50.000 – stellen die Nord-Epiroten die Mehrheit. Bei den „Illegalen“ ist das Verhältnis umgekehrt. Nach griechischen Zeitungsberichten hat die „Albaner-Mafia“ längst ein unsichtbares Netz über das Land gezogen. Sie soll auch verantwortlich sein für die Revolte im Athener Hauptgefängnis „Korydalos“, bei der Mitte Januar albanische und griechische Gefangene aneinandergerieten.

Die Ankündigung der Riesenrazzia stieß in Athen auf keine Gegenstimmen. Einerseits hält auch in Griechenland eine fremdenfeindliche Stimmung Einzug. Andererseits vermuten die Griechen, daß die Behörden die Operation „Besen“ längst nicht so gründlich durchführen werden, wie angekündigt. Schließlich würde ein gewaltiger Teil der griechischen Wirtschaft – besonders die Landwirtschaft – ohne die billigen Illegalen aus Albanien schlicht zusammenbrechen. Dorothea Hahn