Die Ostbauern lagen vorne

■ Der neue Landwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU) stellt den Agrarbericht 1993 vor / Größte Äcker mit größtem Gewinn / EG-Agrarreform soll Einkommen der deutschen Landwirtschaft sichern

Bonn (dpa/AP) – Jochen Borchert, der neue Landwirtschaftsminister, begann seine Amtszeit gestern mit schlechten Nachrichten: „Bäuerinnen und Bauern haben Sorgen um ihre Zukunft und die ihrer Höfe.“ Zunehmende Überproduktion und Preisdruck bestimmen nach Einschätzung des gelernten Landwirts aus Bochum das Bild. Christdemokrat Borchert stellte den Agrarbericht 1993 vor, der noch unter Amtsvorgänger Kiechle (CSU) ausgearbeitet worden war. Am größten sind die Schwierigkeiten in den alten Bundesländern, während staatliche Beihilfen im Osten für eine „relativ günstige Einkommensentwicklung“ gesorgt haben, sagte Jochen Borchert vor den Bonner Journalisten. In der ehemaligen DDR haben vor allem „Einzelunternehmen und Personengesellschaften“ mit ihren im Vergleich zum Westen weitaus größeren Anbauflächen gute Gewinne erzielt. Der Startvorteil schwächt sich jedoch ab, für das laufende Wirtschaftsjahr sei nun auch in Ostdeutschland insgesamt mit „stagnierenden oder leicht rückläufigen Gewinnen“ zu rechnen.

Damit werden sich die ostdeutschen Höfe lediglich dem Westniveau angleichen. Vollerwerbsbauern haben in Westdeutschland mit einem durchschnittlichen Gewinn von 47.721 Mark zwar noch ein Plus von 4,3 Prozent gemacht, ein Zuwachs, der im laufenden Wirtschaftsjahr aber nicht mehr erreicht werden könne.

Nach einer Lieblingsrechnung des Landwirtschaftsministeriums kamen die Bauern mal wieder zu kurz: Der „Einkommensabstand zur übrigen Wirtschaft“ (Borchert) habe sich noch einmal auf nunmehr 27 Prozent vergrößert.

Große Unterschiede zeigen sich allerdings im Vergleich der Regionen. Die norddeutschen Länder warteten im vergangenen Wirtschaftsjahr zum Teil mit zweistelligen Gewinn-Zuwachsraten auf – Schleswig-Holstein plus 16,7, Niedersachsen plus 14,3 Prozent. In Süddeutschland, wo Futterbaubetriebe einen hohen Anteil haben, lagen die Gewinne unter dem Durchschnitt, am schlimmsten traf es die Bauern in Baden-Württemberg mit minus 11,9 Prozent.

Pessimistischer kommentiert der Deutsche Bauernverband den Bericht aus Bonn. Mit Einkommensverlusten von zehn Prozent sei in diesem Jahr zu rechnen – vor allem die Preise für Schlachtschweine, an denen im letzten Jahr besonders gut zum verdienen war, seien „erdrutschartig zurückgegangen“. Hart bleiben will Borchert deshalb vor allem in Brüssel. Ziel der Bundesregierung sei es, in den anstehenden Verhandlungen zur EG-Agrarreform dafür zu sorgen, „daß die Einkommen der Landwirte möglichst nicht gefährdet sind“. Dasselbe Anliegen sei auch bei den laufenden GATT- Verhandlungen zur Liberalisierung des Welthandels „zu berücksichtigen“.