Außer Rand und Band

■ THW Kiel: Der Traum von der Meisterschaft platzt wieder einmal wie eine Seifenblase / Rollt der Kopf von Trainer Holger Oertel?

Der Traum von der Meisterschaft platzt wieder einmal wie

eine Seifenblase/ Rollt der Kopf von Trainer Holger Oertel?

Die Bilanz für das Managerfossil des deutschen Handballs sieht bisher gar nicht so schlecht aus. Erst einmal hat Heinz Jacobsen vom THW Kiel einen Trainer wegen Erfolglosigkeit demittieren müssen — vor vier Jahren Jozip Milkovic. Nun geht es, so wird in Kiel gemunkelt, dessen Nachfolger Holger Oertel an den Kragen. Das bislang in den Kieler Übungsleiter gesetzte Vertrauen hat Schaden genommen. Die peinliche 15:21-Schlappe des schleswig-holsteinischen Bundesligisten bei Schlußlicht Empor Rostock markierte am Mittwoch abend den neuen Tiefpunkt einer mit dem derzeit achten Platz höchst enttäuschend verlaufenen Saison.

„Mögliche Konsequenzen werde ich in der Öffentlichkeit nicht kommentieren. Wir werden die Situation zunächst im kleinen Kreis beratschlagen und in aller Ruhe Schlüsse ziehen“, erklärte Jacobsen am Donnerstag. Vor dem wichtigen Spiel am Sonntag gegen Bayer Dormagen werde es wohl keine einschneidenden Maßnahmen geben. Schuldzuweisungen wären fehl am Platz, betonte der schwergewichtige Manager — und nahm dennoch kein Blatt vor den Mund.

Jacobsen fällte über die Mannschaft ein vernichtendes Urteil, das den letztlich mitverantwortlichen Trainer besonders treffen muß. Die Verfassung sei desolat: „Der THW ist außer Rand und Band. Es fehlt jegliches Selbstvertrauen. Sie laufen herum wie verängstigte Haasen.“ Die Leistungsträger seien völlig von der Rolle. Jacobsen vermißt die hundertprozentige Einstellung zum Kampf, obwohl es immerhin noch um einen Europacup-Platz gehe. Gemessen am wahren Potential hätte das Team acht bis zehn Punkte mehr haben und an der Spitze stehen müssen, so der Manager unbescheiden.

Das Spiel in Rostock kann als symptomatisch für die derzeitige Situation des THW angesehen werden. Der Fördedampfer schlingert scheinbar orientierungslos durch die Bundesliga-Tiefen. Im Verein weiß zur Zeit niemand so recht, wie es weiter gehen soll. Jacobsen, der der Meisterschaft wie einem Phantom nachjagte, aber immerhin dreimal Zweiter wurde, steht vor dem Absprung. Im Mai will er sich zum Präsidenten des Deutschen Handball-Bundes (DHB) wählen lassen. „Ich fühle mich dem Verein verpflichtet und werde alles unternehmen, um das Feld zu bestellen“, erklärte er. Auch Oertels Tage sind wohl gezählt.

Der Coach arbeitet engagiert wie immer, doch bei der Mannschaft findet er offenbar nicht mehr das notwendige Gehör. Sein taktisches Konzept wurde in Rostock nicht befolgt. Hinter vorgehaltener Hand wird bei ihm plötzlich von

1Defiziten in diesem Bereich gesprochen.

Das Thema Trainerwechsel stelle sich nicht, blieb Jacobsen zwar erneut bei seiner Standardaussage. Doch, so sein aktueller Zusatz, wenn nichts mehr helfe... Denn gewisse Abnutzungserscheinungen, so leugnet auch Jacobsen nicht länger, sind feststellbar. Es sei für Oertel gewiß nicht ganz einfach, der

1Mannschaft noch die notwendige Power einzuhauchen. Bisher wurde zum Saisonende ein Wechsel ins Auge gefaßt.

Grundsätzliches gegenseitiges Interesse bestätigte Jacobsen in dieser Sache an Svonimir Serdarusic. Aber der ist eigentlich bis 1994 beim Abstiegskandidaten SG Flensburg-Handewitt gebunden.

beag