■ Aus polnischer Sicht
: Flucht nach vorne oder Die Totalverwaigelung

Jeden Tag wird die deutsche Öffentlichkeit mit Dementis und Zurückweisungen der Politiker ver-sorgt. Alle haben offensichtlich etwas zurückzuweisen beziehungsweise zurückzunehmen, selbst die Saubermänner wie Herr Eggert.

Wer wird nächste Woche was zurückweisen? Vielleicht Herr Engholm, vielleicht Frau Merkel, vielleicht Herr Waigel?

Denkbar wäre zum Beispiel, daß der Bundesfinanzminister sagt: „Es ist nicht wahr, daß ich im Dezember 1991 am Flughafen in München dabei war, als ein Schmiergeld von DM 50.000.– von meinem Duzfreund, Herrn Eder, an den Makler Ralf-Dieter Lehmann bezahlt worden war, mit dem Ziel, eine Immobilie in Berlin zum Kauf zu bekommen.“ Wäre das nicht eine völlig neue, beispielhafte Qualität in der politischen Auseinandersetzung? Anstatt auf irgendwelche Lügen der Journalisten zu warten und sie dannn zurückzuweisen, könnten die Politiker schon im voraus die der Öffentlichkeit noch nicht bekannten falschen Tatsachen dementieren.

Dieses Verfahren würde die Glaubwürdigkeit der Politiker noch erheblich steigern und den Journalisten erlauben, sich auf wesentliche Probleme zu konzentrieren, wie zum Beispiel auf die Lichterkettenverdrossenheit der Deutschen.

Nun heißt es: Zuviel des Guten! Laßt die Kerzen und Aktionen! Man soll lieber ganz normal den Alltag zwischen Deutschen und Nichtdeutschen gestalten. Da liegt aber der Schweinehund begraben! Offensichtlich hat man das Normale hier und da verlernt, woanders nie gelernt, also muß die Normalität mit außerordentlichen Mitteln bewußt gemacht werden. Wem das zu viel ist und wen das stört, braucht sich nicht zu beteiligen.

Wie zum Beispiel Herr Streibl, der schon ausreichend seine Ausländerfreundlichkeit in Kenia und in Brasilien bewiesen hat. Die Lichterketten sind nicht für die Leute da, die kein Problem damit haben, daß außer den Deutschen auch andere Menschen zwischen der Ostsee und den Alpen leben, sondern für Kids und Unentschlossene, die nicht genau wissen, auf wen man hören sollte.

Die wirklich Überzeugten werden ihre Meinung weder aufgrund zu vieler noch zu weniger Lichterketten ändern, vielleicht helfen jedoch diese infantilen Aktionen, jene Naivität in uns zu erwecken, die trotz besseren Wissens an das Gute im Menschen glaubt. Der Kitsch ist mir lieber als der Haß. Piotr Olszowka