Iraks „politische Ökonomie“

■ Bagdad sucht durch Vergabe internationaler Aufträge Druck zur Aufhebung des Embargos zu erzeugen

Bagdad (dpa) – Nach dem Amtsantritt von US-Präsident Bill Clinton hofft das irakische Regime auf eine baldige Aufhebung der UN-Sanktionen. Wie die amtliche Presse meldete, hat Iraks Vizepräsident Taha Jassin Ramadan Anfang der Woche während eines Besuchs in Algier bei Präsident Ali Kafi um „Unterstützung bei der Überwindung der Handelssanktionen“ geworben. Noch diesen Monat wird in Bagdad auch mit dem Besuch einer russischen Delegation gerechnet.

Darüber hinaus setzt Bagdad Hoffnungen auf das erste Treffen Clintons mit dem britischen Premier John Major Ende Februar in Washington. Als Gegenleistung für „ein positives Zeichen“ stellt Bagdad eine vollständige und schnelle Erfüllung der UNO-Forderungen in Aussicht.

Nach Einschätzung von Diplomaten in Bagdad unternimmt Saddam Hussein erhebliche Anstrengungen, um über den Abschluß von Handelsverträgen für die Zeit nach dem Embargo eine Lockerung der Sanktionen zu erreichen. Er hoffe dabei auf den Druck der Wirtschaft auf die jeweiligen Regierungen. Nach Angaben von Handelsminister Mohammed Mahdi Saleh hat der Irak bereits Verträge mit mehr als 160 Firmen über die Lieferungen von Nahrungsmitteln und Medikamenten in Höhe von 4,5 Milliarden US- Dollar abgeschlossen.

Diese Verträge könnten sofort erfüllt werden, wenn die bei ausländischen Banken eingefrorenen Konten in Höhe von rund fünf Milliarden US-Dollar freigegeben würden oder der Export von Öl wieder erlaubt werde, sagte Saleh. Mit der Bitte um Reislieferungen habe sich sein Land auch an US- Firmen gewandt. Darüber hinaus will Bagdad an dem 1988 mit dem amerikanischen Automobilhersteller General Motors geschlossenen Projekt festhalten und rund 100.000 Autos in Lizenzproduktion bauen. Ganz oben auf der Prioritätenliste für Importe steht Saleh zufolge alles, was für den Wiederaufbau gebracht wird, vor allem Maschinen, Baumaterialien, Autos und Ersatzteile. Nach UNO-Schätzungen belaufen sich die Kriegsschäden im Irak auf rund 50 Milliarden Dollar.

In Diplomatenkreisen heißt es, deutsche, französische und österreichische Firmen hätten beim Roten Kreuz oder anderen Hilfsorganisationen für den Irak gespendet, um bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugt zu werden. Saleh wollte dies zwar nicht bestätigen, räumte aber ein, diejenigen Firmen hätten bessere Chancen, die bereits jetzt Kontakte aufnehmen.

Schon stehen nach Darstellung von Diplomaten die Ölfirmen Schlange für das Nachkriegsgeschäft. Offiziell hat Bagdad bislang nur einen „großen Geschäftsabschluß“ mit der französischen Gesellschaft Total gemeldet. Den Angaben zufolge kann der Irak kann wieder rund drei Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Tag fördern. Die von der OPEC zugestandene Förderquote lag zuletzt allerdings nur bei rund einer halben Million Barrel. Hans Dahne