Indonesien: Schauprozeß gegen Guerilla-Führer

■ In Dili steht Xanana Gusmão wegen „Separatismus“ vor Gericht

Lissabon (taz) – Der Mann mit dem weißen Hemd und den scharfgeschnittenen Gesichtszügen auf dem Fernsehbildschirm schien nicht mehr er selbst zu sein. Xanana Gusmão, der 46jährige Führer der Nationalen Befreiungsfront gegen das indonesische Besatzungsregime in Osttimor (Fretilin), sprach vor den Kameras des indonesischen Fernsehens gegen das, wofür er 17 Jahre lang gekämpft hatte: die Befreiung Osttimors von der Herrschaft Indonesiens.

Im Fernsehen sprach ein Mann, der um sein Leben fürchtet. Am 19. November vergangenen Jahres war Xanana Gusmão in seinem Versteck in Dili, der Hauptstadt Osttimors, von indonesischen Soldaten festgenommen worden. Nach Angaben von Pedro Pinto Leite, dem Generalsekretär der internationalen „Juristen-Plattform für Osttimor“, wurde Gusmão sowohl körperlich als auch psychisch gefoltert, bevor er das Interview gab. Das Interview war nach Ansicht des Juristen „inszeniert“.

Am vergangenen Montag begann in Dili der Prozeß gegen Gusmão. Die Anklagepunkte sind: Separatismus, Aufruf zur Rebellion, konspirative Tätigkeit gegen den indonesischen Staat, illegaler Waffenbesitz. Das Urteil gegen Gusmão soll am 20. März verkündet werden.

Nach indonesischem Recht kann für den Hauptanklagepunkt „Separatismus“ als Höchststrafe lebenslange Haft verhängt werden. Dennoch befürchten MenschenrechtsaktivistInnen ein Todesurteil. Denn in Indonesien, dessen Kriegsmarine nach dem Willen der Bonner Regierung mit deutschen U-Booten und anderen Kriegsschiffen aus alten NVA-Beständen ausgerüstet werden soll, gelten Recht und Gesetz nicht viel. Von Menschenrechtsorganisationen entsandte Prozeßbeobachter waren denn auch nicht willkommen. Geoffrey Robinson, Vertreter von amnesty international, wurde die Einreise nach Indonesien verweigert.

Mit dem Prozeß gegen Gusmão kommt Osttimor erstmals seit November 1991 wieder ins Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit. Damals schossen indonesische Soldaten auf einen Demonstrationszug in Dili und töteten 180 Menschen.

In Osttimor spielt sich eines der letzten Dramen der europäischen Entkolonisierung ab. Wie seinen Kolonien in Afrika gab Portugal auch dem kleinen südostasiatischen Land 1975 die Unabhängigkeit zurück. Die einstigen portugiesischen Kolonialherren machten sich abrupt und überstürzt davon. Der große Nachbar Indonesien nutzte die Gunst der Stunde, überfiel Osttimor und annektierte es.

Die Annexion wurde jedoch von den Vereinten Nationen nie anerkannt. Die UNO betrachtet Portugal bis heute als legale Verwaltungsmacht. Nicht weniger als zehn Resolutionen hat der UN-Sicherheitsrat bisher verabschiedet, in denen Indonesien aufgefordert wird, seine Truppen zurückzuziehen und das Recht der einheimischen Bevölkerung auf Selbstbestimmung zu respektieren. Bisher ohne Erfolg.

Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft drängt Portugal die anderen EG-Partner zu einer härteren Gangart gegenüber der indonesischen Regierung, wegen ihrer ständigen Menschenrechtsverletzungen. Indonesien sei eine Diktatur, betont der portugiesische Ministerpräsident Anibal Cavaco Silva immer wieder. Und anläßlich des Prozesses gegen Xanana Gusmão erklärte Außenminister José Manuel Durão Barroso, die indonesische Regierung bewege sich mit dem Verfahren „außerhalb des Rechts“. Ihr fehle „jegliche juristische, politische und moralische Autorität“ für eine Verurteilung des Widerstandskämpfers Gusmão.

Bei der 49. Sitzung der UN- Menschenrechtskommission in Genf – sie begann am selben Tag wie der Prozeß gegen Gusmão – hat Portugal einen Resolutionsentwurf vorgelegt, in dem die „Verletzung der Menschenrechte und fundamentaler Freiheiten“ durch das indonesische Besatzungsregime verurteilt wird. Portugal verlangt, daß die Bevölkerung Osttimors in einem Referendum über ihr Schicksal entscheiden kann. Abilio Osório Soares, der Gouverneur von Jakartas Gnaden, lehnt das lapidar ab: „Die Sache ist erledigt.“ Osttimor bleibe die 17. Provinz Indonesiens.

„Das Volk von Osttimor kann seine Stimme nicht erheben“, sagt dagegen der Vorsitzende der Timor-Kommission des portugiesischen Parlaments, der christdemokratische Abgeordnete Adriano Moreira. Deshalb müsse die internationale Staatengemeinschaft für das Selbstbestimmungsrecht dieses Volkes eintreten. Theo Pischke