Wofür er das Bundesverdienstkreuz verdient

■ Erfolgreicher Querkopf und Umweltschützer gegen SPD-Beton: Gerold Janssen

Wofür er das Bundesverdienstkreuz verdient

Erfolgreicher Querkopf und Umweltschützer gegen SPD-Beton: Gerold Janssen

Hinter einem Prominenten steckt oft ein Querkopf, ein Dickschädel, ein Unerschütterlicher. Mitte der 80er Jahre, nach 15 Jahren „Hollerland“-Skandal, als keiner mehr das Wort Hollerland hören konnte, da ging einer dem Rest der bremischen Welt auf die Nerven: Gerold Janssen (69).

Hollerland, das sind die Wiesengebiete am Nordrand Bremens hinter dem Universitätsgelände. In den 60er Jahren kaufte die Neue Heimat als „landwirtschaftliche Nutzfläche“ billig an und wurde zum größten Landbesitzer Bremes — in der Spekulation, sie in teures Bauland verwandeln zu können. „Hollerstadt“ war das Stichwort, von dem der damals allgewaltige Neue-Heimat-Geschäftsführer und SPD-Fraktionsvorsitzende Richard Boljahn träumte. Im „Bauland-Skandal“ wurde die Grundstücksspekulation öffentlich, der starke Mann der SPD, „König Richard“, entmachtet — und zehn Jahre war es um die Feuchtwiesen still. Bis Ende der 70er Jahre Bausenator Seifritz die Verwertung der Flächen als Bauland wieder betrieb. Das war die Stunde von Gerold Janssen.

Alle paar Wochen ein Leserbrief, alle paar Wochen eine Pressemitteilung der „Bürgerinitisative zur Erhaltung des Hollerlandes...“ Das Zeug landete oft in den Zeitungsredaktionen im Papierkorb, obwohl das gar keinen Sinn hatte: Er kam immer wieder, und eigentlich hatte er ja auch Recht. Bloß konnte das niemand mehr hören. Immer wieder dasselbe: Erhaltet das Hollerland. Und wenn es schließlich doch mal wieder abgedruckt wurde, schien er sich nur ermutigt zu fühlen...

In den Erinnerungen Gerold Janssens liest sich das — über Seiten — etwa so: „Ich laufe mit der Forderung nach Hollerland-Diskussion immer wieder gegen die Wand. Die Beiratsmeute stimmt das Thema nieder.“ Aber dann fast trotzig: „Das ist nur die Ruhe vor dem Sturm.“ Wenige Zeilen weiter: „Die Bürgerinitiative zerfällt immer mehr. Alle Mitstreiter der ersten Stunden haben sich zurückgezogen. Nur sporadisch ist noch jemand ansprechbar.“ Das war 1981. Als Gerold Janssen in Kur muß, hält seine Frau für ein paar Wochen ganz allein die Stellung.

Nach drei Jahren unermüdlicher Arbeit hatte es Gerold Janssen geschafft, immerhin 500 BremerInnen auf einen „Erörterungstermin zum Schmutzwasserkanal“ zu bringen. Das war 1984. Für eine Behörde ist so ein Erfolg jedoch nur ein Grund, erneut auf Zeit zu spielen, nachdem man schon 15 Jahr warten konnte. In der Regel haben behördliche Planungen einen längeren Atem als Bürgerinitiativen.

Immer wieder mußte sich Janssen Spektakuläres einfallen lassen, um öffentliches Ärgernis und damit öffentliches Interesse zu erregen. Juni 1985: Polizei jagd den bald 62jährigen Umweltschützer, weil er die bedrohten Tier- und Pflanzenarten als „Naturlehrpfad“ aufs Pflaster gemalt hat. Im August kippt er gute Hollerland- Erde auf die Rathaustreppen. Janssen bekommt immer mehr Routine beim schaffen von politischen Konflitkpunkten — er bezieht jeden Anlaß ein, der irgendwie am Rande mit dem Thema der Bebauung zu tun hat. Ganz Bremen weiß bald bestens über das Problem der Wasserstände in den Fleeten, über „das“ Pappelwäldchen oder etwa den Kaisen-Bewohner Christian Schneider informiert.

Auf diesem Hintergrund organisierte Janssen dann 1986 in aller Heimlichkeit eine rotgrüne Liste zur Deichamtswahl. Gegen das bäuerliche Interesses an möglichst festem, für Maschinen befahrbaren Wiesenboden im Hollerland sollte das Interesse an hohen Fleet- Wasserständen treten, die den Stadtbewohnern eine naturnahe Landschaft als Naherholungsgebiet erhalten sollte. Heimlicher Bündnispartner Jassens in der SPD war Herbert Brückner, aber niemand durfte das damals wissen. Um die Gegeninteressen der Bau- Lobby in der SPD und der Landwirte nicht zu warnen, gab Janssen „seine“ Liste erst eine Stunde vor Ablauf der Einreicht-Frist ab. Die inzwischen unmweltbewußten städtischen Hausbesitzer beteiligten sich erstmals breit an der Wahl und gewannen 2/3 der Sitze im Deichamt.

Drei Jahre später, 1989, organi

Gerold Janssen (69)

sierte Janssen eine gigantische Lobby-Aktion: Knapp 40 „Termine“ in vier Monaten enthält sein Kalender. Alles, was in Bremen für die Entscheidung Rang und Bedeutung hatte, wurde höchpersönlich und direkt betreut durch Janssen durchs Hollerland geführt. 23.8. die Umweltsenatorin, 24.8. der SPD-Uweltexperte, 26.8. der Sozialsenator mit „Luise“, 29.8. der Ortsamtsleiter und der Mann aus dem Stadtplanungsamt, 30.8. ein Vertreter der Handwerkskammer und so weiter und so weiter und so weiter. Nach dem Marathon ist Janssen mit seinen Kräften am Ende. Am 5.10.1989 ist es schließlich so weit: Der Bausenator Kunick und sein Staatsrat kommen auf die Terrasse des Umweltschützers Janssen, um dort mit ihm den Kompromiß übers Hollerland auszuhandeln, „Horn-Lehe-West“ darf bebaut werden, der größte Teil des Hollerlandes soll unter Naturschutz gestellt werden. Bürgerschaft und Senat vollziehen nach, was der Umweltschützer durch seine Unterschrift politisch legitimiert hat.

Was ist das für eine politische Partei an der Macht, die einen Gerold Janssen notwendig macht? Der unerschütterliche Kampf des Umweltschützers gehört ganz wesentlich zu dem Prozeß, in dem die SPD in Bremen ihre langjährige absolute Mehrheit verlor.

Am Donnerstag um 11 Uhr wird im der grüne Umweltsenator Ralf Fücks als Vertreter des Bremer Senats das Bundesverdienstkreuz, unterschrieben von Bundespräsident Weizsäcker, überreichen. Klaus Wolschner