Morgen: das vorläufig letzte Konzert

■ Das Orchester der Universität verliert seinen Leiter an den Ruhestand / Die Zukunft ist offen / Donnerstag letztes Konzert

Mehr als zwei Jahrzehnte Uni-Orchester: vollbesetzte Säle und richtige Reinfälle, Abendkleider und Kurt Weill, Mühen um Notenblätter und Zoff auf Reisen, ehrgeizige Programme und Sorgen um musikalischen Nachwuchs, Krisen und Kneipengänge — und vor allem: weitermachen.

Mehr als 20 Jahre hat Klaus Mävers das Orchester der Universität Bremen geleitet, jetzt hört er auf und geht in den Ruhestand — obwohl er gerade danach kein bißchen aussieht. Für RechnerInnen: Das Uni-Orchester ist älter als die Uni, weil es als Collegium Musicum von der Pädagogischen Hochschule her kam, mitsamt Klaus Mävers, Musikpädagoge. Der leitet, probt, dirigiert und managt ehrenamtlich, nebenher, gratis und nur mit einem winzigen Etat, eben seit über 20 Jahren. Wenn Mävers jetzt geht, ist die Zukunft dieses „Liebhaber-Orchesters“ offen. Mävers Professoren- Stelle wird ohnehin eingespart.

Wer da mitspielt, ist keine professionelle MusikerIn, nicht mal MusikstudentIn. Da flöten, blasen, streichen Chemie-Studentinnen und Uni-Mitarbeiter, längst berufstätige Lehrer, Anwältinnen, Professoren. Rund die Hälfte der ungefähr 40 MusikerInnen sind Ex-StudentInnen und bilden den festen Kern bei wechselnder StudentInnenschaft. Man ahnt die Schwierigkeit: eine Probe pro Woche ist wenig, in den Semesterferien wird es dünner, in den Schulferien ist ganz Sense. Und, wie Mävers so nett zusammenfaßt: „Leider ist es ja nicht so, daß die viel üben, die wenig können, und daß die wenig üben, die schon viel können. Es ist oft umgekehrt.“ Die Fluktuation ist groß, es gab schon dramatische Abwanderungen von Spitzen-Kräften.

Das Uni-Orchester hatte immer deutliche Schwerpunkte, und die gingen sehr in Richtung Osteuropa. Paradoxerweise oder vielleicht logischerweise waren Reisen und Kontakte so lange intensiv, wie der Osten noch ein Block war. Mävers kann sich heute noch lebhaft begeistern für die früheren Volkskunsthäuser: „Möglichkeiten, die solch ein Regime eben hatte, auch ganz andere Klassen und Schichten, mit Musik in Berührung zu bringen, als unsere kümmerlichen Möglichkeiten hier.“ Jedenfalls: Seit der eiserne Vorhang gefallen ist, konstatiert Mävers „mit Bitterkeit“, ruhen die Kontakte, einzelne Freundschaften haben sich gehalten.

Überhaupt, die Reisen! Unvergessen, wie in Venedig das Klavier auf der Gondel rübergeschafft wurde, aber die Organisation wegen doriger Intrigen lahm lag; wie in Danzig über 1.000 Menschen die Kirche füllten und wegen der Papstwahl und dem Bremer Konzert jubelten; wie in Frankreich nichts, nichts vorbereitet war, nicht mal Übernachtungen.

Daß die Konzert-Programme immer ehrgeizig zusammengestellt waren, zeigt auch das vorläufig letzte Konzert an diesem . Donnerstag, wie eine Zusammenfassung der Vergangenheit. Immer gab es auch Musik des 20. Jahrhunderts, soweit sie spielbar war für die AmateurInnen, also keine Avantgarde, aber „aus politischen Gründen vernachlässigte Musik“, sagt Mävers. Nämlich, erraten: Weill, Eisler und ihre Schüler, „gemäßigte DDR-Moderne der 60er Jahre, die auch in der DDR nicht immer zur Aufführung kam“. Oder mal: Musik der französischen Revolution zum 200. Jahrstag. Immer mit Moderation, mit Informationen vor den Stücken.

Die Probleme, sind schmerzlich banal. Die Beethoven-Noten zu Donnerstag kosten rund 300 Mark Leihgebühr, insgesamt kommen wohl 1.000 Mark Kosten zusammen. 1.200 Mark pro Jahr gibt es an Etat von den Fachbereichen — lächerlich wenig. Heizung, Reinigung, Proben-Miete in der Kunsthalle wollen bedacht sein.

Viele sind seit vielen Jahren dabei. Auch, weil es Spaß macht, weil man sich auf Konzert-Reisen kennengelernt hat, weil man abends noch mal in die Kneipe geht. Bratschistin Nele Herrmann: „Das Menschliche stimmt einfach, das genauso wichtig wie die Musik!“ S.P.