Stromkompromiß gescheitert

■ Acht Kommunen wollen Klage durchziehen

Gotha/Berlin (dpa/taz) – Der ostdeutsche Stromkompromiß ist endgültig gescheitert. Acht Thüringer Kommunen wollen an ihrer Verfassungsklage gegen den Stromvertrag zwischen den westdeutschen Stromkonzernen RWE, PreußenElektra und Bayernwerk und der Treuhand festhalten. Bei weiteren 25 ostdeutschen Städten und Gemeinden sei derzeit ungeklärt, ob sie ebenfalls weiter den Rechtsweg beschreiten wollen. Das sagte der Geschäftsführer des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes, Jürgen Gnauck, am Dienstag abend nach einer Konferenz mit den klagewilligen Kommunen Thüringens.

Der noch unter der Regierung de Maizière geschlossene Stromvertrag hatte den drei westlichen Gesellschaften praktisch ein Monopol für die ostdeutsche Energieversorgung gegeben. Die ostdeutschen Kommunen sollten an den aus den ehemaligen Energiekombinaten entstandenen neuen Regionalversorgern nur Minderheits- beteiligungen erhalten. Dagegen hatten 164 Städte und Gemeinden Verfassungsbeschwerde eingereicht. Sie wollten damit erreichen, eigene Stadtwerke gründen zu dürfen, um ihre Gebiete in Eigenregie mit Strom zu versorgen. Denn das gewinnträchtige Stromgeschäft würde außerdem Einnahmen für die Gemeindekasse bringen.

Zur Überraschung der Prozeßbeteiligten schlug der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts nach zwei Anhörungstagen in Stendal einen Vergleich vor, um einen lange dauernden Prozeß zu vermeiden.

In seiner Ausarbeitung sah der Kompromiß vor, daß die ostdeutschen Kommunen die Erlaubnis erhalten sollten, Stadtwerke zu gründen und die Kraftwerke samt Leitungen übertragen zu bekommen. Im Gegenzug dazu sollten sie den ihnen zustehenden Kapitalanteil an den regionalen Energiegesellschaften an die westdeutschen Stromkonzerne abgeben. Dem stimmen die Thüringer nun nicht zu.

In Thüringen wollen neben Leinefelde, Heiligenstadt, Zella-Mehlis, Bad Salzungen und Schmalkalden jetzt auch Sonneberg, Bleicherode und Sollstedt den Klageweg beschreiten, sagte Gnauck. Der Bürgermeister von Sollstedt hatte bereits vor dem Bundesverfassungsgericht beschrieben, daß die Landgemeinde für ihren Strom einen höheren Preis nehmen kann, wenn sie den regionalen Energieversorger an ihrem geplanten neuen Blockheizkraftwerk beteiligt. Auf dessen Geschäftspolitik wollen sie daher den Einfluß über die Minderheitsbeteiligung nicht aufgeben. In den nächsten Tagen ist laut Gnauck mit Entscheidungen in Schwerin und Rostock zu rechnen. Der Kompromiß wäre auch schon gescheitert gewesen, wenn ihn nur eine einzige der 164 klagenden Kommunen abgelehnt hätte.

Den Vergleichsvorschlag der Verfassungsrichter hatten eigentlich die kommunalen Spitzenverbände, welche für die Gemeinden die Klage führen, als Sieg gefeiert. Auch die Prozeßvertreter der Stromkonzerne fürchteten einen „Erdrutsch in Richtung Stadtwerke“, wie ihr Rechtsanwalt Fritz Offenbühl sagte. Das Hauptproblem ist nun, daß das Bundesverfassungsgericht ein grundsätzliches Urteil wird fällen müssen – und das kostet Zeit. Währenddessen wird kaum jemand in neue, umweltfreundlichere Kraftwerke und die Modernisierung der alten Stromnetze investieren wollen.