Langeweile zwischen den Fronten

Österreich bessert mit Blauhelm-Einsätzen sein internationales Image auf/ Der Krieg in Ex-Jugoslawien als Trauma für das österreichische Heer/ Medien kritisieren „schädliche Passivität“  ■ Von Robert Misik

Volker Rühe, bis auf Hemd und Hose entkleidet, aber dennoch durchschwitzt, versprach Besserung. Den Sanitätern der deutschen Bundeswehr, die in europatauglicher Ausrüstung durch das tropische Kambodscha stapften (wo sie erste UN-Erfahrungen machen sollten), versicherte der Verteidigungsminister, man werde künftig in derlei Dingen bei routinierteren Freunden Rat einholen.

Einen Monat später war der Hardthöhe-Neuling tatsächlich bei seinem Wiener Amtskollegen Werner Fasslabend und ließ sich über österreichische Erfahrungen in Kenntnis setzen. Denn die Österreicher tun – ebenso wie Schweden, Kanadier oder Australier – seit Jahr und Tag Dienst in fernen Krisenregionen. Wobei zwischen zwei verschiedenen Formen des Engagements unter UNO-Flagge unterschieden werden muß: Einerseits zieht die UNO österreichische Soldaten zu klassischen „friedenserhaltenden Missionen“ in Waffenstillstandszonen heran. Andererseits begeben sich die Alpen-Wehrdiener immer wieder auf relativ kurzfristige humanitäre Auslandsabenteuer, etwa nach großen Fluchtbewegungen oder Naturkatastrophen.

Durchschnittlich 400 bis 500 österreichische Soldaten stehen seit fast zwei Jahrzehnten zwischen den feindlichen Linien auf Zypern und auf den Golanhöhen. Zu tun haben sie dort im Grunde gar nichts – ihre Aufgabe ist durch ihre Anwesenheit schon erfüllt. Hin und wieder wird eine Gruppe österreichischer Journalisten zur Golan-Truppe gekarrt, nur allzu selten sorgen angereiste Politgrößen für Abwechslung. Kommt dann, wie etwa im Sommer 1991, der Bundespräsident (damals Kurt Waldheim) auf Stippvisite, wird er auf einen Mauervorsprung plaziert und nimmt eine kleine Truppenparade ab. Ansonsten plagt die Soldaten die Langeweile.

Seltener stellt sich die Sinnfrage jenen Freiwilligen, die bisweilen zu humanitären Hilfsaktionen entsandt werden. Als etwa in Armenien ein Erdbeben halb Jerewan in Schutt und Asche gelegt hatte, flogen österreichische Soldaten ins Katastrophengebiet, um notdürftig aus Fertigteilen ein Dorf zu errichten. Und nach der Massenvertreibung der irakischen Kurden im Anschluß an die Operation „Desert Storm“ übernahmen österreichische Soldaten die Errichtung und Betreuung mehrerer Flüchtlingslager und Feldlazarette im Iran. Das Oberkommando bei diesen Missionen hat üblicherweise ein Zivilist, was bisweilen – wie im Falle der Iran-Mission – Spannungen zwischen ziviler und militärischer Führung nach sich zieht.

Das vielseitige Engagement geht auf das hohe Prestige zurück, das die österreichische Außenpolitik vor allem unter der Kanzlerschaft Bruno Kreiskys erlangte. Wien, wo eine selbständige, aber berechenbare Außenpolitik gemacht wurde, stieg nach New York und Genf zur dritten UNO-Stadt auf. Und auch nach dem Ende der Kreisky-Ära blieb Österreich international engagiert. Vor allem unter der sechsjährigen Präsidentschaft Kurt Waldheims hoffte man, durch großzügige humanitäre Aktionen das angeschlagene internationale Image zumindest teilweise wieder aufzupolieren.

In den letzten Monaten scheint sich freilich eine leise Abkehr von der alten Linie anzubahnen: Mit inneren Problemen beschäftigt, fährt die österreichische Außenpolitik einen zunehmend isolationistischen Kurs. Hinzu kommt, daß Soldaten des kleinen österreichischen Heers an den Ostgrenzen patrouillieren, um Flüchtlinge und illegale Grenzgänger zu fangen. Außerdem sitzt noch der Schock des kurzen slowenischen Bürgerkriegs tief. Damals erwiesen sich die österreichischen Militärs als unfähig, Grenzverletzungen der jugoslawischen Bundesarmee zu unterbinden: So konnte die jugoslawische Luftwaffe ungehindert die slowenischen Einheiten aus dem österreichischen Luftraum heraus angreifen. Seither wird in der bislang unterbeschäftigten Truppe über Personalmangel geklagt.

Anfragen aus der UNO-Zentrale hat Wien seither abschlägig beschieden: Sowohl ein Einsatz zur militärischen Absicherung der Lebensmittelhilfen für Somalia wie eine Teilnahme an der UN-Mission in Mosambik wurden abgelehnt. Dieser „schädliche Passivismus“ wurde von der Mehrzahl der österreichischen Medien scharf kritisiert, gehören doch die prestigeträchtigen Blauhelm-Einsätze zu den am wenigsten umstrittenen Komponenten der österreichischen Politik. Die zunehmende Bereitschaft der Vereinten Nationen zu riskanteren Unternehmen wie in Kambodscha und Somalia wird aber auch die Frage des Wiener Engagements neu aufwerfen. Eine Teilnahme an UN-Kampfeinsätzen wird zur Zeit aber ausgeschlossen.

Der Autor ist Deutschland-Korrespondent von Profil.