Vignette hilft deutschen Lkw

■ Krauses neueste Idee zur Autobahn-Finanzierung dürfte in der EG kaum Chancen haben: Sondersteuer diskriminiert die europäische Konkurrenz

Berlin (taz/dpa/AFP) – Verkehrsminister Günther Krause sieht spätestens 2010 den nationalen Notstand ausgebrochen: Dann werden „9,5 Millionen Osteuropäer Deutschland durchqueren“. Vor allem leuchtet dem ostdeutschen Minister nicht ein, sagte er gestern, „daß diese Ausländer unsere Autobahnen kostenlos benutzen sollen“.

Krause will die Autobahnen privatisieren und vorsorglich schon mal mit einer Auto-Vignette abkassieren. Die eingenommenen Milliarden würden für den „Aus- und Neubau der Autobahnen“ gebraucht: „Ich werde für dieses Konzept kämpfen, sonst droht uns aufgrund unserer Lage in der Mitte Europas der Verkehrstod.“

Ökologische Verkehrsexperten schnappen nach Luft. „Sinnlos“, faßt der VCD sein Urteil zusammen, das Freiburger Ökoinstitut erkennt eine „Bankrotterklärung“. Die Vignette verhindere „den Umstieg von der Straße auf öffentliche Verkehrsmittel“.

Sozialdemokraten fordern einstimmig eine höhere Mineralölsteuer. Auch Umweltminister Töpfer ist mit Krauses Vorschlag „nicht zufrieden“. Wie der Fraktionschef der Liberalen Solms sähe der Christdemokrat Töpfer lieber eine „Kombination von Autobahnabgabe und Erhöhung der Mineralölsteuer“. Nur Bahnchef Heinz Dürr findet rundum Gefallen an der Idee, aus dem Vignetten-Topf Bahndefizite zu senken – Finanzminister Theo Waigel hat signalisiert, daß dafür nach 1996 keine Mark mehr aus dem Bundeshaushalt bezahlt werde.

Höhere Mineralölsteuern träfen auch die Dieselloks der Bahn, so Dürrs Argument, nicht nur die deutschen Brummis, die aber auch Krause nicht zur Kasse bitten will. Im Gegenteil: Zahlen darf die Konkurrenz, die deutschen Fuhrunternehmen sollen mit niedrigeren Steuern für die Vignette entschädigt werden.

Ein ähnlicher Vorstoß ist vom Europäischen Gerichtshof schon einmal gestoppt worden. Um das Argument der Richter in Straßburg, die Regelung diskriminiere ausländische Unternehmen, zu umgehen, sinnt Krause auf eine neue Verpackung. Sein Sprecher Scholz wollte sich gestern zwar nicht klar äußern – deutlich ist aber, daß notfalls eine gestaffelte Einführung von Steuersenkungen und Vignette ins Auge gefaßt wird.

Hintergrund sind die extrem unterschiedlichen Steuern für Lkw in Deutschland und den anderen europäischen Ländern. Obwohl auch hierzulande die jährlichen Abgaben von rund 10.000 Mark für einen 38-Tonner nicht ausreichen, um die verursachten Kosten zu decken, erhebt Deutschland innerhalb der EG die höchsten Lkw- Steuern.

In Frankreich müssen die Speditionen nur etwa ein Zehntel soviel zahlen. Wenn im Zuge der Binnenmarktharmonisierung alle EG- Fuhrunternehmen auch innerdeutsche Transporte übernehmen dürfen, fürchten die deutschen Spediteure ihre Pleite. Noch aber hält Krause diesen Trumpf in der Hand – und er will ihn nur abgeben, wenn ihm die EG grünes Licht für seine Vignette gibt.

Der Deutsche Verkehrsminister strebt eine Harmonisierung der Kfz-Steuern für Brummis in der EG an, wie sie auch von der Brüsseler Kommission vorgeschlagen wurde, die einen Betrag von etwa 2.000 Mark pro Lkw anpeilte. Nur dann will Krause nicht von seiner Gegenstimme Gebrauch machen, wenn es um die innerdeutschen Transporte durch ausländische Unternehmen geht.

Nur: Der EWG-Vertrag von 1957 schreibt vor, daß auch die Harmonisierung indirekter Steuern ohne Gegenstimme erfolgen muß. Weil aber insbesondere die Niederlande ihre Wettbewerbsvorteile nicht aufgeben wollen, verhinderten sie bislang – zusammen mit Dänemark und Irland – eine solche Regelung. Noch ist nicht abzusehen, wie Krauses Vignettenlösung diese Barriere überwinden könnte. Die Schweiz, die seit 1985 eine ähnliche Benutzungsgebühr erhebt, ist nicht Mitglied der EG. aje/nh