: Saubere Hände waren ihr Verhängnis
■ Im Prozeß um Brandanschlag auf Ausländerwohnheim weitere Zeugen vernommen/ Angeklagter entschuldigt sich
Moabit. Nach Seife duftende Hände hatten die Polizei auf die Spur der Brandstifter geführt. Das berichtete ein Polizist am gestrigen zweiten Verhandlungstag im Prozeß um die Anschläge auf ein Ausländerwohnheim und einen türkischen Imbiß im vergangenen Spätsommer in Hohenschönhausen. Die Angeklagten, sechs junge Männer und eine Frau im Alter von 18 bis 25 Jahren, sind, wie berichtet, im wesentlichen geständig, versuchen ihre Taten aber mit Worten wie: „Wir wollten die Vietnamesen nur erschrecken“ zu bagatellisieren. Bei den Anschlägen war nur geringer Sachschaden entstanden.
Ein Polizist berichtete gestern, wie es nach dem zweiten Anschlag am 3. September zu der Festnahme der Täter gekommen war. Er und seine Kollegen, so der Beamte, seien vor dem Vietnamesenwohnheim mit der Spurensuche beschäftigt gewesen, als zwei junge Männer auf sie zuspaziert seien. Die beiden hätten einen sehr „interessierten“ Eindruck gemacht und partout nicht weitergehen wollen. Da die jungen Männer im Vergleich zu ihrem sonstigen Outfit „verdammt saubere, nach Seife duftende Hände“ gehabt hätten, sei man mißtrauisch geworden und habe ihre Personalien kontrolliert. Nun hätten sich die beiden in Widersprüche verwickelt. Daraufhin habe man den Keller von Rene N. durchsucht und sei dort auf Teile der Molotowcocktails gestoßen.
Auch der Besitzer des türkischen Döner-Imbisses, auf den einige der Angeklagten in der Nacht zum 1. September einen Brandanschlag verübt hatten, wurde gestern als Zeuge gehört. „Ich kenne alle, sie waren meine Kunden“, sagte der Türke, nachdem er die sieben jungen Leute flüchtig gemustert hatte. Ob die Angeklagten ausländerfeindlich gewesen seien? „Ich habe nichts gehört“, schüttelte der Zeuge den Kopf. Er hatte den Satz kaum beendet, da ergriff Rene N. unerwartet das Wort: „Ich möchte mich in aller Öffentlichkeit bei Ihnen entschuldigen“, sagte er. Der Zeuge erwiderte ohne Zaudern: „Ich nehme die Entschuldigung an.“ Am ersten Verhandlungstag hatte das Gericht versucht, die Motive der Angeklagten zu erforschen, was sich aber sehr schwierig gestaltete. Gegen Ausländer hätten sie eigentlich nichts, „nur etwas gegen Scheinasylanten“. Es sei eine spontane Aktion gewesen, oder: „Es ist modern, rechts herumzulaufen“, hatten die meist sehr zögerlichen Antworten gelautet. Gestern widmete sich der Vorsitzende Richter Leschonski den Lebensläufen. Der 22jährige Ted K. – er ist der einzige, der sein Haar auch jetzt noch kurzgeschoren trägt – berichtete, daß er von seinem 12. bis 18. Lebensjahr in der DDR im Heim gelebt habe. Als er 15 gewesen sei, sei er „Punker“ geworden und habe seine Haare violett gefärbt. Daraufhin sei er wegen „neofaschistischer Tendenzen“ in eine besondere Jugendverwahranstalt bei Templin „eingewiesen“ worden. Seine Arbeit als Betonbauer habe er kurz vor der Wende wegen mangelnden „Bocks“ geschmissen. Ted gehört zu den sechs Angeklagten, die arbeitslos sind. plu
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