Ungarn: Neuer Finanzminister

Der Reformpolitiker Mihály Kupa trat überraschend zurück/ Seine Finanzpolitik soll verantwortlich sein für die soziale Misere des Landes  ■ Aus Budapest Keno Verseck

Halb ernst, halb ironisch, mit ein wenig Pathos und viel Sarkasmus – in dieser unverwechselbaren Mischung meldete der ungarische Finanzminister Mihály Kupa seinen Rücktritt.

„Ich bin renitent und ein souveränes Individuum“, meinte Kupa am Donnerstag in Budapest. „Ich habe mir erlaubt, in einigen Fragen eine von der Regierung abweichende Meinung zu formulieren. Ein Jahr vor den Wahlen ist es nicht gut, wenn ein unabhängiger Mensch Finanzminister bleibt.“

Es war zwar seit mehr als zwei Wochen bekannt, daß der ungarische Ministerpräsident József Antall die Regierung umbilden werde, doch mit Kupas Auswechselung hatte niemand gerechnet – außer ihm selbst, wie er ein wenig bitter zu Protokoll gab. Der 51jährige dürfte es wohl auch als Hohn empfunden haben, daß Antall ihm in der neuen Regierung den Posten des Verkehrsministers offerierte. „Mit meinem Namen“, so Kupas höflich-brüskierte Absage, „verbindet sich das einzig erfolgreiche Umgestaltungsprogramm in Osteuropa. Ich übergebe das Land in ordentlichem Zustand.“

So unumschränkt erfolgreich, wie Kupa sich selbst einschätzte, war er allerdings nicht, und darin liegen auch die Gründe seines ebenso plötzlichen wie praktisch erzwungenen Rücktritts. Der Ex- Finanzminister trat nach den freien Wahlen 1990 mit einem nach ihm benannten Spar- und Umgestaltungsprogramm an, von dem er wesentliche Teile, wie etwa eine Steuerreform oder die Sanierung des hyperdefizitären Haushaltes, nicht durchsetzen konnte. Trotz der Kompromisse, die er eingehen mußte und zu denen nebenbei auch gehörte, daß er im letzten Jahr in die Regierungspartei Ungarisches Demokratisches Forum (MDF) eintrat, reichte Kupas Finanzpolitik noch immer aus, um ihn in der Regierung als Hauptverantwortlichen für die äußerst schlechte soziale Lage in Ungarn erscheinen zu lassen. In den letzten Monaten sank die Popularität des einstmals nicht zuletzt wegen seiner schnoddrigen Offenheit beliebten Politikers drastisch. „In einer schlechten Situation und wenn Wahlen bevorstehen, ist der Finanzminister als Sündenbock immer am besten geeignet“, kommentiert László Csaba, persönlicher Berater von Kupa, den Abgang des Finanzministers.

Zu Anfang des Jahres war schließlich zwischen Kupa und dem Privatisierungsminister Tamás Szabó ein offener Streit um die Neukonzeption der Eigentumstransformation ausgebrochen, in dem sich Kupa alles andere als diplomatisch verhielt. Er verabschiedete sich denn auch in seiner Rücktrittserklärung noch einmal gebührend von Szabo: „Ich habe mich nicht mit ihm gestritten, denn ich streite nicht mit jemandem, der Volkswirtschaft in einem Krämerladen gelernt hat.“ Die Anspielung zielte auf Szabos Kreditkarten-Privatisierungskonzept.

Kupas Nachfolger heißt Iván Szabó und war bisher als Industrieminister in Antalls Regierung tätig. Daß er eine „völkisch-nationale“ Finanzpolitik (so ein ungarischer Oppositionspolitiker) betreiben wird, in deren Folge die Inflation erneut stark ansteigen würde, scheint zwar übertrieben. Szabó erklärte, die Reformen seines Vorgängers weiterführen zu wollen. Dennoch hat er sich in der Vergangenheit nicht durch eine erfolgreiche Industriepolitik hervorgetan. Es fehle ihm außerdem an Kompetenz in Fragen der Finanzpolitik, fürchtet László Csaba. „Die Gefahr einer expansiven, inflationstreibenden Finanzpolitik ist nicht unrealistisch, aber wir sollten erstmal abwarten, wie Szabó sich auf seinem neuen Posten verhält.“