Mysteriöse Todesfälle von Linken

■ Staatsanwaltschaften gehen nicht von politisch motivierten Gewalttaten bei zwei Verstorbenen in Ostdeutschland aus

Nürnberg (taz) — Der Tod eines Mitgliedes der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) in Suhl sowie der Tod eines Punks im thüringischen Schlotheim (Kreis Mühlhausen) bereitet den zuständigen Ermittlungsbehörden Kopfzerbrechen. In beiden Fällen mutmaßen Angehörige und Freunde der Opfer politisch motivierte Gewaltverbrechen, in beiden Fällen weisen die zuständigen Staatsanwaltschaften dies energisch zurück.

Am 3. Februar diesen Jahres war der 23jährige Olaf H. am frühen Morgen im Badezimmer erhängt von einem Freund aufgefunden worden. Olaf H., Mitglied der SDAJ und in Suhl als Initiator mehrere Antifa-Aktionen und Bündnisveranstaltungen gegen den Neofaschismus bekannt, wies eine Kopfverletzung auf. Polizei und Staatsanwaltschaft schlossen schnell ein Fremdverschulden aus und gingen von einem Freitod aus. Die Eltern und Freunde sowie der SDAJ-Bundesvorstand in Essen intervenierten erfolgreich gegen die Einstellung des Verfahrens. Die Eltern stellten Strafanzeige wegen Mordverdachts.

Gegen einen Freitod spreche nicht nur, daß der arbeitslose Olaf H. nach Angaben von Freunden sich nicht nur wenige Stunden vor seinem Tod noch mit einem Freund verabredet hatte, sondern daß er auch in Kürze eine feste Arbeitsstelle antreten sollte, so seine Freunde.

Er war in der Vergangenheit mehrfach von Rechtsextremisten bedroht worden und lebte deshalb aus Furcht vor Überfällen nicht mehr in seiner Wohnung. Dies alles habe sich laut Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Karge jedoch als nicht stichhaltig erwiesen. Es lägen weder Hinweise auf eine Bedrohung noch auf eine in Aussicht befindliche Stelle vor.

Karge sieht nach den erneuten Ermittlungen „keinerlei Hinweise auf ein Fremdverschulden“. Die ständigen Vorwürfe, man würde hier einen Mord vertuschen, gingen ihm „auf den Geist“. Karge will jetzt noch warten, ob aus den Reihen der Demonstranten, die sich heute um 14 Uhr in Suhl zu einem Trauermarsch einfinden, irgendwelche neuen Hinweise kommen.

Dann will er das Verfahren endgültig einstellen. Er rechnet damit, daß die Eltern ihre Strafanzeige ebenfalls zurückziehen.

Ein zweiter Todesfall beschäftigt die Staatsanwaltschaft im thüringischen Nordhausen. In der Nacht vom 23. auf den 24. Januar kam es in der thüringischen Kleinstadt Schlotheim zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe von Punks und einer Gruppe von sogenannten Heavy Metals.

Im Verlauf der Schlägerei wurde ein Punk von einem Heavy Metal mit einem Messer erstochen. Der zuständige Oberstaatsanwalt Petri aus Nordhausen sieht derzeit keinerlei Anhaltspunkte für eine politisch motivierte Auseinandersetzung. Er kennt Heavy Metals nur als eine „Musikrichtung“, und Punks sind für ihn nicht im linken Spektrum angesiedelt, sondern „unpolitische Personen, die sich nur aus Protest gegen die Erwachsenen so kleiden und verhalten“ würden.

Daß im November 1990 der Angolaner Amadeu Antonio Kiowa im brandenburgischen Eberswalde von Heavy Metals und Skinheads zu Tode geprügelt worden war, ist Petri „nicht bekannt“. Bekannt ist ihm, daß im nahen Mühlhausen und Nordhausen eine relativ große militante rechtsextreme Skinhead- Szene aktiv ist, die schon durch mehrfache Übergriffe auffällig geworden ist.

Bernd Siegler