"Die Kuh ist noch nicht vom Eis"

■ GAL kehrt zu friedenspolitischen Grundsätzen zurück / Conny Jürgens fordert erneute Revision der Parteibeschlüsse

zurück / Conny Jürgens fordert erneute Revision der Parteibeschlüsse

Die friedenspolitischen Grundsätze der Grünen bleiben von der GAL unangetastet. Der innerparteiliche GAL-Friede dagegen ist vorerst dahin. Am Sonnabend stimmten 117 Mitglieder die Forderung führender GAL-Politiker nach internationalen Militäreinsätzen im ehemaligen Jugoslawien nieder. Dafür votierten nur 34 Hamburger Grüne (siehe auch Seite 4).

Das innerparteiliche Problem dabei ist jedoch, daß die Protagonisten der Intervention fast identisch mit der Spitzenriege grüner Politik in Hamburg sind: Die Bürgerschaftsabgeordneten Conny Jürgens, Krista Sager, Martin Schmidt, drei weitere Fraktionskollegen und Landesvorstandsfrau Sabine Boehlich.

Bei der Kontroverse geht es nach Einschätzung von Beteiligten und Beobachtern nicht allein um das Morden und Vergewaltigen auf dem Balkan - es geht um neue Strömungskämpfe. So erkannte Bundesvorstandsmitglied Angelika Beer (Neumünster) nach der Debatte: „Der Krieg wird instrumentalisiert, um die eigene politische Strategie zu rechtfertigen.“

Die Bürgerschaftsabgeordnete Anna Bruns erklärte nach der Abstimmung gegenüber der taz: „Die Kuh ist noch lange nicht vom Eis. Wir sind in der Fraktion zu dritt eine Minderheit. Und zwar nicht nur in der Bosnien-Frage, sondern auch was das gesamte Politikverständnis angeht. Es spielen machtpolitische Fragen eine große Rolle. Es muß Aufbauarbeit geleistet werden, damit die Fraktion wieder vertrauensvoll miteinander arbeiten kann.“

Ob das, was die Abgeordnete Conny Jürgens am Sonntag der Deutschen Presseagentur erklärte, eine vertrauensbildende Aussage ist? Frau Jürgens hält eine neuerliche Umkehrung des GAL-Beschlusses für denkbar und erstrebenswert. Originalton: „Ich gehe davon aus, daß jetzt erst richtig diskutiert wird, und zwar auf Grundlage von Wissen und nicht von Ideologie.“

Die über weite Strecken emotional geführte Diskussion wurde durch den unerwarteten Auftritt der „Desertöre“, einer Gruppe totaler Kriegsdienstverweigerer, und die Rede einer bosnischen Muslimin aufgeheizt. Die uniformierten „Desertöre“ besetzten das Podium und rollten ein Transparent aus: „Wollt ihr das totale Grün?“ Sie meldeten sich bei der GAL „Hirn bei Fuß“ als erstes Freiwilligenbatallion.

Die Frau aus Bosnien beschrieb

1mit Tränen in den Augen das unendliche Leid ihrer Landsleute und bat eindringlich: „Fahrt hin, seht euch den Krieg an und tut etwas. Meine Landsleute warten auf ein

1Zeichen.“

Der alte Grüne Rolf Moritz schleuderte den Interventionsbefürwortern die Worte entgegen: „Ich habe sechs Jahre Krieg mitge-

1macht - es gibt keinen gerechten Krieg! In jedem Krieg passieren brutale Grausamkeiten. Wißt ihr überhaupt, was ihr fordert? Ihr wißt es nicht!“ Jürgen Oetting